Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Donnerstag, April 21, 2005

Erstes Abenteuer - Kapitel II

29 n. Hal - 11. Tag im Monat des Phex

Liselle und Zoe trafen sich am Morgen im Speisezimmer wieder zum gemeinsamen Frühstück. Maria, die Köchin, fragte die beiden nach ihren Wünschen.
"Wie immer, Maria," grinste Liselle. Die Köchin kannte sie schon von kleinauf, sie war schon vor ihrer Geburt im Dienste ihrer Familie.
"Ich hätte gerne Schwarzbrot und Konfitüre," sagte Zoe.
Marias Gesicht verfinsterte sich und mit einem knapp angebundenen "Kommt sofort" segelte sie aus dem Zimmer. Zoe schaute Liselle, die in heiteres Gelächter ausbrach, fragend an.
"Mein Vater beschäftigt eine der besten Köchinnen Gareths und Einladungen zum Dinner sind heiß begehrt und du bestellst Schwarzbrot und Konfitüre," kicherte Liselle. "Da hast du Maria aber getroffen."
"Naja, ich mag aber Schwarzbrot und Konfitüre," verteidigte sich Zoe.
"Schon in Ordnung, Maria wird darüber hinwegkommen," beschwichtigte Liselle. "Hast du schon viel von Gareth gesehen oder magst du heute mit mir ein wenig durch die Stadt gehen?"
"Bei dem schönen Wetter würde ich gerne durch die Stadt gehen," erklärte Zoe sich einverstanden.
"Nun denn, dann laß uns mal einen schönen Tag machen," versprach Liselle, beäugte Zoe kritisch und fügte an "aber nicht in dieser Kleidung."
"Warum, was ist falsch mit meiner Kleidung?" Zoe schaute verdutzt drein.
"Zu auffällig," erklärte Liselle. "Doch wir frühstücken erst und dann kümmern wir uns darum."

Nach dem Frühstück nahm Liselle Zoe mit auf ihr Zimmer und steckte sie in ähnliche Kleidung wie sie selber sie auf ihren Streifzügen trug. Als sie begann, Zoe die Schminke aus dem Gesicht zu waschen, protestierte diese zwar leidenschaftlich, doch Liselle kannte kein Erbarmen. Sie flocht Zoe noch die Haare zu einem schweren Zopf und betrachtete ihr Werk zufrieden.
"Ja, das geht, so kann ich dich mitnehmen," sagte sie zufrieden. Und so verließen die beiden Mädchen das Haus und warfen sich in das Getümmel auf Gareths Straßen.

Liselle führte Zoe zum Haus ihrer Freundin Hesindiane, einer der best bezahltesten Kurtisanen Gareths. Leider war Hesindiane nicht da, ebensowenig wie eine halbe Stunde später Patras, ihr zeitweiliger Geliebter, in seinem Haus anzutreffen war. So beschlossen die beiden, erst einmal ausgiebig zu Mittag essen zu gehen und kehrten in eine der besten Tavernen Gareths ein. Wie üblich ließ Liselle anschreiben, ihr Vater würde die Rechnung schon begleichen. Schließlich tat er das immer, auch wenn er darüber fürchterlich zeterte und wetterte. Während man ein vorzügliches Mahl genoß, diskutierte man den weiteren Verlauf des Nachmittags und Zoe äußerte den Wunsch, das Badehaus zu besuchen und den Komfort inklusive Massage zu genießen. So machten sich die beiden dann auf den Weg in Gareths bestes Badehaus auf.

Die beiden Mädchen schlenderten plaudernd durch die Straßen, beachteten die Leute, die ihnen entgegen kamen, so gut wie gar nicht. Auch die beiden Gestalten, mit denen sie aneinander rasseln sollten, wären ihnen nicht aufgefallen, wenn der eine nicht laut und deutlich in ihre Richtung gemünzt "Nah, die hat aber Holz vor der Hütte" gesagt hätte. Wie angewurzelt blieb Liselle stehen und drehte sich um.
"Was hast du da gesagt?" rief sie den beiden Kerlen hinterher.
"Was soll ich gesagt haben?" erwiderte der Rüpel dreist.
"Du weißt genau was du gesagt hast!" fauchte Liselle und Wut ließ ihre Augen eisgrau werden.
Es entspann sich ein handfester Streit zwischen den beiden. Auch wenn ihr Kontrahent aussah, als hätte er die letzten zwei Wochen in seiner Kleidung geschlafen und durchgezecht, mußte sie für sich zugeben, daß selbst die Narbe, die quer über sein linkes Auge verlief, ihn nicht entstellte, sondern ihm im Gegenteil ein verwegenes Aussehen verlieh. Die schwarze Lederhose, die schwarzen Stulpenstiefel und das helle Hemd, das er offen trug, standen ihm gut. Trotzdem, seine Manieren paßten Liselle nicht. Solch eine Behandlung war sie nicht gewohnt. Männer behandelten sie respektvoll, taten was sie wollte oder bemühten sich um sie. Daß sie ihr offen und feindselig gegenüber traten gab es nicht. Sein Begleiter versuchte vergeblich, ihn zu beschwichtigen, ohne Erfolg.
"Und ihr seht aus wie etwas, was aus der letzten Gasse gekrochen ist!" schrie Liselle auf eine ebenso unflätige Bemerkung zurück.
Wut verzerrte das Antlitz des Fremden mit den spitzen Ohren, er hob die Hand und holte zum Schlag aus. Sein Begleiter fiel ihm in den Arm mit den Worten "Bist du wahnsinnig geworden?"
Liselle musterte den Fremden abschätzend aus eiskalten grauen Augen.
"Du wolltest mich also schlagen? Das reicht," sagte sie kühl und rief nach der Garde, ohne mit der Wimper zu zucken.
Den eintreffenden Gardisten schilderte sie den Vorfall in den schillernsten Farben und natürlich kam der rüpelhafte Fremde dabei nicht sehr gut weg. Nachdem sie ihren Namen genannt hatte, wollte der Gardist die beiden schon abführen lassen.
"Naja, so wie Ihr den Vorfall schildert, stimmt es nicht so ganz," ertönte eine Stimme.
Liselle stellte fest, daß die Stimme zu einer Zwergin mit ungewöhnlichem Aussehen gehörte. Haare und Gesichtsflaum waren schneeweiß und die Gardisten scharrten bei ihrem Erscheinen unruhig mit den Füßen im Straßenstaub.
"Und wer seid Ihr?" verlangte Liselle.
"Mein Name ist Andra, Tochter der Andriana," gab die Zwergin bereitwillig Auskunft.
"Euer Name sagt mir nichts," gab Liselle zurück, doch sie konnte an den Gesichtern der Gardisten erkennen, daß ihnen der Name durchaus etwas sagte und daß ihnen die Situation mehr und mehr unangenehm war.
"Was wird hier hier gespielt?" fragte sie sich. Sie hatte durchaus erkannt, daß sich die Situation grundlegend geändert hatte, konnte aber nicht ausmachen, welche Rolle die Zwergin darin spielte.
"Ihr solltet Euren Schützling besseres Benehmen lehren," fauchte sie, packte die verdutzte Zoe am Arm und zog sie davon. "Nicht zu fassen, was für ein Gesindel sich heutzutage auf den Straßen Gareths herumtreibt," machte sie sich ihrem Unmut Luft. Was sie Zoe nicht erzählte, war die Tatsache, daß die Streiterei mit dem Fremden ihr auf eine Art und Weise Spaß gemacht hatte. Schließlich war es nicht üblich, daß ihr ein Mann Paroli bot.

Im Badehaus vergaß Liselle den Zwischenfall, sie genoß die duftenden Bäder, den Luxus und eine ausgedehnte Massage. Auch wenn sie sonst nicht unbedingten Wert auf solche Dinge legte, ein Besuch im Badehaus genoß sie ab und zu schon. Nach der Massage scheuchte sie den Bediensteten aus dem Zimmer, wickelte sich in eins der Laken und machte sich auf die Suche nach Zoe, um zu schauen wie weit diese war. Gerade als sie den Raum verließ und auf den Gang des Frauentraktes trat, ertönte ein gellender Pfiff. Erstaunt drehte sich Liselle um.
"Das darf doch jetzt nicht wahr sein!" der Mann, der so dreist pfiff, war der Flegel, der es gewagt hatte, die Hand gegen sie zu erheben. Vor lauter Schreck vergaß sie, das Laken festzuhalten, das natürlich langsam, dem Gesetz der Schwerkraft folgend, auf den Boden rutschte, so daß sie vollkommen unbekleidet dort stand. Das letzte, was sie von dem Kerl sah, war sein erstauntes Gesicht und der weit offen stehende Mund. Da wurde die Tür zum Männertrakt auch schon geschlossen. Liselle war sich durchaus bewußt, welche Reaktionen ihr Körper bei Männern auslöste, doch daß man sie so unverhohlen anstarrte war ihr auch noch nicht passiert. Sie sammelte ihr Laken auf und fragte die Leiterin des Badehauses, die mittlerweile aufgetaucht war und sich ein dutzend Mal für den peinlichen Vorfall entschuldigte, seit wann man denn jeden in dieses Etablissement lassen würde.
"Es tut mir wirklich furchtbar leid, doch er kam auf Empfehlung einer Zwergin namens Andra," erklärte die Besitzerin beflissen, wohl wissend, daß es dem Ruf ihres Badehauses schaden könnte, sollte sich dieser Vorfall herumsprechen.
"Schon wieder diese Zwergin," murmelte Liselle und beschloss, Erkundigungen einzuziehen.
Zoe wurde natürlich über diesen Vorfall informiert und innerlich war Liselle ein wenig über das Gesicht des Flegels amüsiert. Zoe genoß noch ihre Massage und danach begaben sich die beiden wieder zurück zum Palais, wo sie ein Abendessen genossen und den Abend gemütlich bei Wein ausklingen liessen.