Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Sonntag, April 24, 2005

Erstes Abenteuer - Kapitel V

29 n. Hal - 14. Tag im Monat des Phex

Am Abend vor dem Ball standen Zoe und Liselle in Liselles Zimmer und machten sich für ihren gemeinsamen Streifzug durch das Nachtleben Gareths fertig, was natürlich einiges an Zeit in Anspruch nahm. Schließlich waren sie dann doch irgendwann zufrieden mit dem, was ihnen der Spiegel zeigte und man hatte nur noch ein Problem, die beiden brauchten ein wenig Geld.
"Laß mich mal machen," sagte Liselle zu Zoe. "Warte unten in der Eingangshalle auf mich, ich bin gleich wieder da." Sprachs und verschwand in Richtung Bibliothek.
"Vater, bist du da?" fragte sie während sie an die Tür zum Studierzimmer klopfte.
"Ja, komm herein," Baron Oltenburg klang nicht sehr begeistert.
"Oh weh, da kommt noch was," dachte sich Liselle mit einem mulmigen Gefühl und trat ein.
"Kannst du mir bitte erklären, wie du dazu kommst einen derartigen Aufstand anzuzetteln und dann auch noch die Stadtgarde damit hinein zu ziehen?" donnerte der Baron los, kaum daß sie eingetreten war.
"Wie bitte?" fragte Liselle verdutzt. Das fing aber gar nicht gut an.
"Ich rede davon, daß du dich mit einem Bekannten von Andra in den Straßen angeschrien und letztendlich die Garde gerufen hast!" polterte der Baron weiter.
Liselle sah ihre Felle davon schwimmen und änderte ihre ursprüngliche Taktik. Sie stellte sich vor den Schreibtisch ihres Vater, stemmte die Hände in die Hüften und schaute ihn fest an.
"Also hör mal, er hat zu mir gesagt "ich hätte viel Holz vor der Hütte"! Das nenne ich nicht nur anzüglich, sondern auch unverschämt. Und das auch noch auf offener Straße! Oder findest du es lustig wenn man deiner Tochter so etwas an den Kopf wirft?" herausfordernd blickte Liselle ihren Vater an.
"Nun ja ..." doch weiter kam der Baron nicht.
"Ich finde durchaus gerechtfertigt, die Garde bei solch einem Verhalten zu rufen. Gerade wenn man bedenkt, daß er mich auch noch schlagen wollte!" Liselle sah, wie die Entschlossenheit ihres Vaters ins Wanken geriet.
"Nun ja, vielleicht habe ich übertrieben reagiert," räumte sie ein, um ihren Vater auf ihre Seite zu ziehen.
"Ja gut," brummelte der Baron "Und nun geh bitte, ich habe zu arbeiten."
"Hmm, da wäre noch etwas."
"Was denn jetzt schon wieder?" die Stirn des Barons legte sich wieder in Falten.
"Nichts schlimmes Vater, keine Sorge. Zoe und ich wollen ein wenig ausgehen und uns fehlt das Geld."
"Gut, gut, aber versprich mir, daß du dann endlich gehst und mich arbeiten läßt."
"Sicher Vater," sagte Liselle, als ob sie kein Wässerchen trüben könne.
"Hier sind fünf Dukaten und nun sieh zu, daß du verschwindest."
"Danke Vater," Liselle nahm die Münzen, küßte ihren Vater noch auf die Wange und wandte sich zur Tür.
"Ja, ja," brummelte der Baron und sah seiner Tochter kopfschüttelnd hinterher als diese das Zimmer verließ und leise die Türe hinter sich schloß.
"Wir können gehen," sagte Liselle als sie zu Zoe, die in der Eingangshalle schon auf sie wartete, und grinste frech.

Liselle und Zoe zogen von einer Taverne zur nächsten, tranken ein wenig, schauten sich an, wer dort war und wenn Liselle ein bekanntes Gesicht sah, erzählte sie Zoe den neuesten Klatsch und Tratsch über die betreffende Person. Diskret natürlich. Nachdem sie die Tavernen mehr oder weniger alle durch hatten, beschloß Liselle, Zoe mitzunehmen in den Dunklen Löwen, eine halb legale Einrichtung, in der nicht nur Alkohol ausgeschenkt wurde, sondern wo man auch anderen Lastern wie Drogen, schönen Frauen und dem Glücksspiel frönen konnte. In diesen Etablissements trieben sich gewohnheitsmäßig auch viele Söhne adliger Abstammung herum, meistens die jüngsten der Familie, die mit ihrer Zeit und dem Geld ihrer Eltern auch nicht viel anfangen konnten. Liselle mochte diese Gesellschaft, sie fühlte sich wohl dabei, in halblegale Welten einzutauchen. Da waren wesentlich mehr schillernde Personen zu treffen und wesentlich aufregendere Dinge zu erleben als auf den normalen gesellschaftlichen Anlässen, auf denen sie sich meistens zu Tode langweilte.

Nach einer Viertelstunde waren die beiden vor einem von außen unscheinbaren Haus angelangt. Nichts ließ vermuten, was sich hinter seinen Türen verbarg. Entschlossen klopfte Liselle. Eine Klappe öffnete sich und Sam, der Türsteher, ließ sein Gesicht in der Öffnung sehen. Er erblickte sie und wurde bleich.
"Oh nein, du kommst nach deinem letzten Auftritt sicherlich nicht mehr hier herein!" energisch verschloß Sam die Klappe wieder.
Liselle stand verdutzt vor der noch immer verschlossenen Tür.
"Was war das denn?" fragte Zoe.
"Ich habe keine Ahnung," erwiderte die verdutzte Liselle. "Naja, ich kann mich nicht so wirklich daran erinnern, wie ich bei meinem letzten Besuch nach Hause kam ..."
Liselle hob den Arm, um noch einmal zu klopfen, doch Zoe hinderte sie daran.
"Warte, laß mich das mal machen," sagte sie und schob Liselle zur Seite, hob den Arm und klopfte selber.
Die Tür ging auf, Sam sah Zoe vor der Tür stehen, seine Augen wurden groß und er öffnete die Türe.
"Ihr dürft eintreten," meinte er zu ihr und musterte sie von oben bis unten.
Doch als Liselle ihr folgen wollte, hielt er sie sanft aber doch sehr bestimmt auf, schob sie wieder über die Türschwelle und schloß die Tür vor ihrer Nase. Frustriert blickte Liselle auf die geschlossene Tür und stand unschlüssig dort herum. Das lief ganz und gar nicht wie geplant. Immer noch frustriert setzte sie sich auf die Treppe und wartete, etwas anderes blieb ihr ja auch gar nicht übrig.

Ungefähr eine halbe Stunde später öffnete sich die Tür wieder und Sam meinte zu ihr, sie hätte Glück eine solch reizende Begleitung zu haben und ließ sie eintreten. Liselle warf Zoe einen fragenden Blick zu und das verschmitzte Lächeln, mit dem Zoe sie bedachte, erzählte mehr als tausend Worte. Liselle grinste zurück und zog Zoe erst einmal in Richtung Theke.
"Was möchtest du denn trinken?" fragte Liselle ihre Begleiterin, die von dem Mann hinter dem Tresen ebenfalls sehr interessiert gemustert wurde.
"Ein Wein wäre nicht schlecht."
"Du hast sie gehört. Einen Wein für sie und einen Fruchtsaft für mich bitte," bestellte Liselle. Sie beugte sich leicht über den Tresen und strich ihrem Gegenüber sanft über die Wange, der lächelte daraufhin.
"Wie bist du eigentlich schon wieder hier herein gekommen?" wollte er wissen.
"Du kennst mich doch," lachte Liselle ihn an.
"Allerdings."
"Sag mal," Liselle setzte ihr strahlendes Lächeln auf, das seine Wirkung natürlich nicht verfehlte, "was ist beim letzten Mal eigentlich passiert. Sam sah ja aus, als ob er einen Geist erblickt hätte."
"Nun ja, du hast die gesamte Bar auseinander genommen ..."
"Wie, ich?" ungläubig starrte Liselle ihn an.
"Genau du. Laß dich also nicht vom Boss erwischen, er würde Sam und mir die Hölle heiß machen wenn er dich hier sehen würde," erklärte er während er ihnen ihre Getränke servierte.
"Ich werde zusehen, daß ich ihm nicht über den Weg laufe," versprach Liselle.
Sie nahm ihr Glas und schaute sich ein wenig um, ob sie jemand Bekanntes sah. Ihr fiel Max von Hochstetten ins Auge, den Sohn eines Grafen, mit dem sie einmal ein Techtelmechtel hatte. Er war kein übler Kerl, aber ihr war seine Angeberei ein wenig auf den Geist gegangen. Er hatte sich die ganze Zeit damit gebrüstet, daß er einmal Jandra Björnson, eine der Ehrengäste auf dem morgigen Ball, begegnet war. Nichtsdestotrotz konnte er sehr amüsant sein und so gesellte sie sich zu ihm.
"Du hier? Wie bist du jetzt schon wieder hier herein gekommen?" fragte Max sie.
"Na, du kennst mich doch," erwiderte Liselle und lächelte ihn kokett an.
"Wer ist denn deine Begleiterin?" wollte Max wissen, sein Blick hing wie gebannt an Zoe.
Liselle nahm seinen faszinierten Gesichtsausdruck amüsiert zur Kenntnis und fragte ihn ganz unschuldig, ob ihm Zoe gefallen würde.
"Was für eine Frage. Natürlich."
"Vergiß es, die Frau wirst du nicht herum bekommen," lachte Liselle ihn an.
"Wir werden sehen," mit einem ominösen Lächeln ging Max auf Zoe zu und Liselle stellte die beiden einander vor.
"Darf ich Euch auf einen Drink einladen?" richtete sich Max an Zoe.
"Gerne," Zoes Lächeln hätte Eisberge zum Schmelzen gebracht.
Die drei zogen sich mit ihren Getränken in eine ruhige Ecke zurück und obwohl Liselle keinen Alkohol trank da sie nicht unbedingt mit Kopfschmerzen und Übelkeit auf den Ball gehen wollte, wurde es ein ziemlich amüsanter und auch freizügiger Abend. Seltsamerweise konnten sich weder Liselle noch Zoe danach an Details erinnern, was genau eigentlich so amüsant gewesen war.