Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Donnerstag, April 28, 2005

Erstes Abenteuer - Kapitel VII

(zweiter Teil)

Sie wartete im Salon auf das Eintreffen der Gäste und vertrieb sich die Zeit bis dahin mit Grübeln. Sie goß sich einen der edlen Kräuterschnäpse ihres Vaters ein und schwenkte die dunkel schimmernde Flüssigkeit langsam im Glas bevor sie den Schnaps in einem Zug austrank. Sie hörte die Türglocke läuten.
"Na, dann kann der Spaß ja beginnen," dachte sie ironisch.

Sie hörte Stimmen in der Eingangshalle und schlich an die Tür um zu lauschen. Was sie hörte, fand sie gar nicht lustig. Ihr Vater sprach mit Elrond über sie und es fielen Worte wie "Eure entzückende Tochter", "solch ein Liebreiz", "fühle mich sehr geehrt" und "Hochzeit planen". In ihr brodelte es, da rief der Baron auch schon nach ihr.
Eilig sprang sie einen Schritt von der Tür zurück, sie wollte schließlich nicht beim Lauschen erwischt werden.
Unser Gast ist da und er ist sogar in Begleitung von Elvion Feuerglanz gekommen!" ihr Vater zog sie stolz in die Eingangshalle, wo sie Elvion die Hand reichte, ebenso wie Andra, deren Miene mürrisch verzogen war. Elrond trat auf sie zu und sie bot ihm die Hand für den üblichen Handkuss. Doch er ignorierte ihre Hand, trat an sie heran und küßte sie, keinen Anstandskuß auf die Wange, nein, er küßte sie auf ihre Lippen.
Damit hatte Liselle nicht gerechnet, sie war zu überrascht um überhaupt reagieren zu können.
"Hallo mein Schatz," sagte er danach zu ihr, als wäre es das normalste der Welt, daß er sie einfach küssen durfte.
"Nennt mich nicht Schatz!" sie fand ihre Fassung wieder und ihre Augen sprühten Giftpfeile, was er mit einem amüsierten Grinsen quittierte.
"Der Punkt geht an ihn, aber wir sind noch nicht fertig miteinander!" dachte sie wütend. Die Tatsache, daß er Fayt zu dem Essen mitgeschleppt hatte, schürte ihre Wut noch mehr.

Das Essen über hüllte sie sich in Schweigen während sie entsetzt zuhören mußte, wie eine Hochzeit in Thorwal in Erwägung gezogen wurde. Die ganze Situation erschien Liselle immer unwirklicher und so hörte sie der Diskussion irgendwann auch nicht mehr zu, sondern überlegte, was sie tun konnte. Nach dem Essen erhob der Baron das Glas, schlug sanft den Löffel dagegen und erhob sich.
"Meine Lieben, anläßlich des freudigen Ereignisses habe ich eine kleine Überraschung vorbereitet. Folgt mir bitte auf die Terasse," sprach er und führte seine Familie und die Gäste nach draußen.
Stolz strahlte der Baron, als er das Erstaunen auf den Gesichtern der Versammelten sah und immer wieder ein "Ah" oder "Oh" der Begeisterung zu hören war. Der Baron hatte ein außerordentliches Feuerwerk vorbereiten lassen womit er seine Gäste erfreute. Liselle hatte keinen Blick dafür, sie wünschte sich, daß dieser Abend sich endlich dem Ende zuneigen und sie somit ihren lästigen Möchtegern-Verlobten loswerden würde, der sie zudem ständig "Schatz" oder "Liebling" nannte. Diese plumpe Vertraulichkeit ging ihr allmählich auf den Nerv, was nahm der Kerl sich heraus? Lange konnte es doch nicht mehr dauern, bis dieser Abend endlich vorüber war und die Gäste sie verlassen würden.
"Aber nein, das kommt doch gar nicht in Frage! Selbstverständlich seid Ihr auch über Nacht meine Gäste," hörte sie den Baron sagen und Liselle verdrehte die Augen.
"Es tut mir leid, aber mich erwarten morgen dringende Geschäfte, so gerne ich Euer Angebot auch annehmen würde. Wer würde es auch ausschlagen bei der Aussicht auf ein Frühstück, daß von Eurer hervorragenden Köchin zubereitet wird," lehnte Elvion das Angebot ab.
Auch Andra hatte am nächsten Morgen Dringendes zu erledigen, was keinen Aufschub duldete, und entschuldigte sich. Elrond hatte natürlich nichts wichtiges zu tun, Liselle hätte sich auch gewundert, wenn das der Fall gewesen wäre, und beeilte sich zu versichern, daß er sich sehr geehrt fühle. Nun hatte sie ihn bis zum Frühstück auf dem Hals. Er erklärte noch kurz, daß er allerdings am nächsten Morgen kurz zu seiner Unterkunft müsse, ein paar persönliche Dinge holen.
Liselle entschuldigte sich, sie sei müde und würde sich gerne auf ihr Zimmer zurück ziehen, man würde sich morgen beim Frühstück ja noch unterhalten können.
"Schlaft gut, meine Holde," wünschte ihr Elrond eine gute Nacht, doch Liselle hatte anderes vor, Schlafen zählte nicht dazu. Sie schloß die Türe zu ihrem Zimmer vorsichtshalber ab, damit niemand herein kommen konnte und somit entdecken würde, daß sie nicht da war. Sie schlüpfte in schwarze, einfache Kleidung, löschte das Licht und wartete im Dunklen darauf, daß es ruhig wurde im Haus.

Als sie sicher war, daß niemand sie bemerken oder gar hören würde, trat sie auf den Balkon und sprang hinunter auf den Rasen. Federnd und ohne einen Laut landete sie und schlich entlang der Wand zur Gartenpforte. So ganz lautlos war sie wohl doch nicht, plötzlich trat ihr eine Gestalt mit verschränkten Armen in den Weg.
"Wo willst du jetzt noch hin?" verlangte Maria streng zu erfahren.
"Maria, ich muß weg, dringend mit jemandem reden," erwiderte Liselle flehentlich.
"Um diese Uhrzeit?" setzte Maria ihr Verhör fort.
"Ja und es darf niemand erfahren, ich flehe dich an Maria!"
"Schon gut, ich werde es niemandem erzählen. Aber paß bitte auf dich auf, die dunklen Gassen, durch die du zu streunen pflegst, sind nachts schließlich nicht die sichersten."
"Das werde ich Maria, das werde ich. Läßt du mir bitte die Küchentür offen," bat sie noch, dann umarmte sie Maria kurz und verschwand auf die Straße. Dort atmete sie erst einmal tief ein, bevor sie sich auf den Weg machte. Sie ging zügig und auf dem schnellsten Weg zum Aves-Tempel, dem Stammplatz von Wolfsmann, dessen Dienste sie benötigte. Plötzlich rempelte sie ein offensichtlich Betrunkener an, der ihr aber ohne Nuscheln oder sonstige alkoholbedingten Sprachprobleme zuflüsterte, daß sie verfolgt würde. Sie kannte den Mann, er arbeitete für Patras. Derart gewarnt, tauchte in der nächsten Gasse in den Schatten und ging Schleichwege, die sie von den nächtlichen Streifzügen mit Patras her kannte. Bevor sie auf den Platz vor dem Aves-Tempel trat, ging sie noch einmal sicher, daß sie den unbekannten Verfolger auch wirklich abgeschüttelt hatte.
Ich benötige deine Hilfe," sagte Liselle leise und ließ ein paar Silbermünzen in Wolfmanns Bettelschale fallen, die vor ihm auf dem Asphalt stand.
"Du bist spät noch unterwegs, meine kleine Velvet," erwiderte Wolfsmann mit seiner tiefen aber dennoch sanften Stimme. "Planst du etwa, aus der Stadt zu flüchten?"
Wider Willen mußte Liselle grinsen als sie den leisen Spott in der Stimme ihres Freundes vernahm.
"Nein, noch nicht. Ich werde mich schon von dir verabschieden bevor ich gehe. Du mußt für mich zu Patras gehen und ihm ausrichten, daß ich in den Lieblichen Gärten auf ihn warte. Er soll sicher gehen, daß er nicht verfolgt wird."
"Dein Wunsch ist mir Befehl, kleine Velvet," er lächelte und bedeutete ihr, zu verschwinden. Er würde ein paar Minuten warten, bis sie außer Sichtweite war, bevor er seine Sachen einsammeln und ihren Auftrag ausführen würde.

Anderthalb Stunden vergingen, in denen Liselle unruhig auf und ab lief. Patras ließ sich gehörig viel Zeit und ihre Ungeduld und Sorge wuchs.
"Da bist du ja endlich, wo hast du denn nur gesteckt?" rief sie und flog ihm entgegen, als sie ihn endlich erblickte.
"Ich mußte sicher gehen, daß man mich nicht verfolgt."
"Ja, ich wurde verfolgt, einer deiner Männer machte mich diskret darauf aufmerksam."
"Er ist jetzt schon dein Verlobter und darf in eurem Haus bleiben," Patras Tonfall machte klar, daß er ihr keine Frage gestellt hatte.
"Ich weiß, ich weiß. Mein Vater ist der Hausherr, ich kann ihn schlecht eigenhändig rausschmeißen, auch wenn ich das lieber als alles andere tun würde."
"Morgen abend hat sich das Problem ohnehin erledigt," gab Patras von sich.
"Was hast du vor?" Liselle schwante Übles.
"Ich habe meine besten Männer auf ihn angesetzt."
"Du willst ihn umbringen lassen?!" entsetzt schaute Liselle ihren Geliebten an. "Hast du den Verstand verloren? Weißt du, unter wessen Fittiche dieser Mistkerl steht? Wenn er tot aufgefunden wird, dann wird es eine Untersuchung geben und man wird die ganze Stadt von oben nach unten kehren auf der Suche nach dem Mörder. Warum stellst du dich nicht gleich freiwillig unter den Galgen?" Liselle bekam es mit der Angst zu tun, das mußte sie auf alle Fälle verhindern. "Ruf deine Männer zurück, um meinetwillen."
"Das geht nicht," meinte er kurz angebunden.
"Und ob das geht!" rief sie wütend.
"Ich will nicht, daß dieser Kerl dich heiratet. Velvet, hör mir zu. Du weißt, daß ich dich liebe. Mir verursacht alleine schon der Gedanke, daß an der Verlobung etwas wahres dran sein könnte, schlaflose Nächte."
"Vertraust du mir?" Liselle schaute im fest in die Augen und nahm seine Hände in ihre.
"Jein."
"Jein?"
"Ich vertraue dir, aber ich habe Angst, daß du da nicht mehr herauskommst und ihm traue ich schon einmal gar nicht über den Weg," erklärte Patras.
"Wir werden eine andere Lösung finden und wenn wir ihm irgendetwas anhängen müssen, daß seinen Ruf ruiniert, doch Mord ist keine Option."
"Und wenn uns nichts einfällt, würdest du dann mit mir die Stadt verlassen?" fragte Patras und in seiner Stimme lag eine Dringlichkeit, die Liselle erst bewußt machte, was er wirklich für sie empfand.
"Durchbrennen? Wir beide? Wenn mir keine Lösung einfällt, dann wird das unser letzter Ausweg sein. Ich werde mich nicht an diesen Möchtegern verheiraten lassen. Versprichst du mir, daß du deine Leute zurück rufst?"
"Gut, ich werde sie zurück rufen, wenn es nicht schon zu spät ist," er sah ihr tief in die Augen und zog sie an sich. "Meine Süße, ich liebe dich und ich will dich nicht an dieses Spitzohr verlieren."
Sie antwortete nicht, sondern schmiegte sich in seine Arme und küßte ihn. Ausgiebig, bis ein Pfeil in den Rasen schlug. Sie wurden auf diese Weise von den Posten, die Patras aufgestellt hatte, gewarnt daß sich jemand näherte. Hastig verabschiedeten sich die beiden voneinander und verschwanden in die Nacht.

"Was für ein verfluchter Tag, der will und will einfach nicht enden," hörte sie jemanden. Die Stimme kam ihr seltsam vertraut vor, doch sie war zu sehr mit sich selber beschäftigt um herausfinden zu wollen, zu wem sie gehörte. Wie versprochen hatte Maria die Küchentüre offen gelassen und Liselle damit erspart, über den Balkon wieder in ihr Zimmer zu gelangen. Sie schloß die Küchentüre hinter sich ab und ging lautlos in ihr Zimmer. Ohne Licht zu machen entkleidete sie sich und ließ sich ins Bett fallen. Auch wenn es draußen noch dunkel war, das bereits einsetzende Gezwitscher der Vögel kündete davon, daß der Morgen nicht mehr fern war.