Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Freitag, April 29, 2005

Erstes Abenteuer - Kapitel VIII (1)

(erster Teil)
29 n. Hal - 16. Tag im Monat des Phex

"Bist du dir absolut sicher, daß du sie auf den Nachttisch gelegt und nicht irgendwo verloren hast," fragte Liselle Zoe erneut.
"Ich bin mir absolut sicher," entgegnete Zoe.
"Hmm. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß jemand vom Personal deine Brosche genommen hat, diese Menschen stehen zum Teil schon seit Generationen im Dienste meiner Familie."
"Das ganze ist wirklich komisch, wer sollte denn in mein Zimmer schleichen und sie rausnehmen wenn er dabei Gefahr läuft, daß ich wach werde?"
"Stimmt, wir sind tagsüber oft genug außer Haus, das wäre doch eine viel günstigere Gelegenheit. Ich werde veranlassen, daß noch einmal gründlich nach deiner Brosche gesucht wird," versprach Liselle, rief James und übertrug ihm die Verantwortung für die Suchaktion.
"James, wenn mein Vater wieder im Haus ist, dann informiert ihn bitte über den Vorfall," fügte sie hinzu.
Zoe und sie widmeten sich wieder ihrem Frühstück, plauderten ein wenig und waren sich beide einig darin, daß die Verlobung keine gute Idee war. Schließlich war das Objekt des Hasses nicht anwesend und so konnte Liselle ihrer Meinung freien Lauf lassen. Nachdem die Magd das Geschirr vom Tisch geräumt hatte, entschuldigte sich Liselle und zog sich zurück in die Bibliothek, wo sie Papier und Feder zur Hand nahm.

Sehr geehrte Andra,

ich wende mich an Euch, da ich mir keinen anderen Ausweg weiß. Mir ist bekannt, daß Ihr über meine Verbindungen informiert zu sein scheint und ich möchte Euch eindringlich darum bitten, Eurem Schützling diese Verlobung auszureden. Es gibt Menschen, die damit nicht einverstanden sind und auch nicht davor zurück schrecken werden, drastische Maßnahmen zu ergreifen um eine Hochzeit zu verhindern. Bitte sorgt für den nötigen Schutz für Euren Zögling.

Ergebenst
Liselle von Oltenburg

Sie siegelte den Brief und erteilte den Auftrag, ihn unverzüglich zur Herberge "Schwert und Panzer" bringen zu lassen. Sie rief dafür die Magd zu sich und erkundigte sich noch, ob die vermißte Brosche wieder aufgetaucht sei, was die Magd verneinte. Man habe sie nirgends finden können und James hätte Wert darauf gelegt, daß die Suche gründlich durchgeführt wurde. Kaum war die Magd mit dem Brief durch die Tür verschwunden, als Liselle Stimmen in der Halle vernahm. Elrond war zurück gekehrt und unterhielt sich mit ihrem Vater. Liselle schritt zügig in Richtung Halle.
"Da bist du ja, Liselle. Schau her, wer da ist," begrüßte ihr Vater sie.
"Guten Morgen," sagte sie betont kühl zu Elrond bevor sie sich ihrem Vater zuwandte. "Vater, ich muß dir etwas Unangenehmes mitteilen."
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Zoe die Halle betrat und winkte sie zu sich. Sie informierte ihren Vater über den Vorfall und die Maßnahmen, die sie eingeleitet hatte. Ihr Vater runzelte die Stirn, das gefiel ihm gar nicht. In seinem Haus kam nichts einfach so weg und ihr Personal war bis jetzt absolut vertrauenswürdig gewesen.
"Wie sieht denn Eure Brosche aus?" erkundigte sich Elrond höflich.
Zoe beschrieb das verschwundene Schmuckstück sehr detailiert und nachdem sie ihre Schilderung beendet hatte, zog Elrond etwas aus seiner Tasche und zeigte es ihnen.
"Ist es vielleicht diese, ich habe sie gestern abend auf der Terasse gefunden," erklärte er.
Zoe bejahte, das sei ihre Brosche. In ihren Augen stand Zweifel, sie schien sich nicht vorstellen zu können, daß sie sich dermaßen geirrt haben sollte. Auch Liselle hatte leichte Zweifel an dem angeblichen Fundort des Schmuckstückes, behielt diese aber für sich. Ihr Vater hingegen lobte überschwenglich die Ehrlichkeit des Finders, so etwas würde man heutzutage ja auch nicht mehr finden, jemand der so ehrlich war. Zoe und Liselle wechselten einen Blick, das paßte ja gut um die Begeisterung des Barons zu vervielfachen.
"Vater, würdest du Elrond und mich bitte einen Augenblick entschuldigen?"
"Kind, warum denn?" verwirrt schaute der Baron von Elrond zu seiner Tochter.
"Ach Vater, jetzt, da wir offiziell verlobt werden sollen, gönn mir doch ein paar Minuten mit ihm," sagte sie zuckersüß.
"Ach so, ja natürlich, natürlich. Ihr könnt in die Bibliothek gehen," der Baron wurde seiner Begriffsstutzigkeit offensichtlich gewahr und errötete sogar leicht.
Liselle zog Elrond in die Bibliothek und schloß die Tür hinter sich.
"Ich muß mit Euch reden, dringend," eröffnete sie knapp.
"Wollt Ihr mich denn gar nicht angemessen begrüßen, mein Schatz?" Liselle hätte ihm am liebsten das Grinsen aus dem Gesicht gewischt ob dieser erneuten plumpen Vertraulichkeit.
"Ich bin kein Schatz und selbst, wenn ich einer wäre, mit Sicherheit nicht Eurer!" fuhr sie ihn an.
"Worüber wollt Ihr denn mit mir reden? Über die anstehende Hochzeit?"
"Ganz im Gegenteil. Aber nicht hier, laßt uns nachher einen Spaziergang machen," fuhr sie fort, ohne seine Frage zu beachten.
"Und wenn ich nicht spazieren gehen möchte?"
"Ihr werdet!" in Liselles Stimme lag genug Bestimmtheit um ihn für einen Moment zu verwirren.
Da öffnete sich die Türe und der Baron trat ein, recht verlegen.
"Entschuldigt bitte, daß ich Euch belauscht habe. Aber ein Tag draußen im Grünen halte ich für eine hervorragende Idee, ich werde für die Familie ein Picknick vorbereiten lassen und wir werden diesen Tag im Park verbringen. Was haltet ihr davon?"
"Eine ausgezeichnete Idee, Vater," stimmte Liselle zu und verfluchte ihr Schicksal innerlich.

So begab sich dann die Familie von Oltenburg mitsamt ihren Gästen zur Mittagszeit in einen nahegelegenen Park, standesgemäß in der Kutsche. So sehr sie sich auch darum bemühte, ihre Eltern waren immer in ihrer Nähe und es ergab sich einfach keine Möglichkeit, mit Elrond unter vier Augen zu sprechen. Sie schlenderten gerade am Ufer des künstlich angelegten Sees entlang, als Liselle eine Idee kam.
„Vater, warte mal. Können wir nicht Boote ausleihen und ein wenig damit über den See fahren?“ fragte sie und setzte ihren Vater der vollen Wucht ihres Charmes aus.
Der Baron hatte ihr in der Hinsicht nichts entgegen zu setzen und so machte er sich flugs daran, für sie ein Boot zu mieten. Liselles Mutter, die ihre Absicht, mit Elrond alleine zu sein, durchaus verstanden hatte, ging hinüber, legte ihrem Mann die Hand auf den Arm und flüsterte ihm leise etwas ins Ohr. Daraufhin drehte sich der Baron noch einmal um und mietete zwei weitere Boote. Als sie an ihrer Mutter vorbei ging, zwinkerte diese Liselle verstohlen zu.
Der Baron und seine Frau nahmen ihr Boot, das zweite war für Zoe vorgesehen, die den wortkargen Fayt zum Begleiter bekam und das Dritte war dem „glücklichen“ Paar vorbehalten.
„Ihr beendet auf der Stelle diese verdammt Farce!“ eröffnete Liselle Elrond ohne große Umschweife, sobald er das Boot außer Hörweite gerudert hatte.
„Welche Farce meint Ihr?“
„Diese angebliche Verlobung. Ihr wißt nicht, was Ihr da tut.“
„Doch, ich werde Euch in Kürze heiraten.“
„Werdet Ihr nicht.“
„Es sieht doch ganz danach aus, oder etwa nicht?“
„Ihr werdet nicht dazu kommen.“
„Wie meint Ihr das denn?“
„Es gibt Leute, die etwas gegen diese Hochzeit haben und die auch nicht davor zurückscheuen würden, Euch notfalls aus dem Weg zu schaffen.“
„Und?“ meinte Elrond nur.
„Du verdammter Idiot, ich versuche dir dein Leben zu retten! Das hier ist kein Spiel mehr!“ fauchte sie ihn an, alle Höflichkeit vergessend. „Und jetzt ruder mich gefälligst zurück und danach geh mir aus den Augen!“
Während er das Boot zurück zum Steg ruderte, wandte sie sich ab und hüllte sich in eisiges Schweigen. Sie hatte ihn gewarnt und mochte er auch noch so mächtige Freunde haben, irgendwann würde einer von Patras Männern ihn erwischen. Patras verfügte über genug Verbindungen, um zur Not einen hochbezahlten Assassinen anzuheuern. Sobald Liselle das Boot verlassen hatte, drehte sie ihm provokativ den Rücken zu und ging davon. Er wartete noch, bis Fayt und Zoe zurück kehrten, um dann mit Fayt zu sprechen. Danach kam er zu ihr und teilte ihr mit, daß er leider gehen müsse und sie doch bitte ihren Eltern sein Bedauern ausdrücken solle, den schönen Ausflug frühzeitig abbrechen zu müssen. Sie würdigte ihn keines Blickes und sobald er weg war, ging sie hinüber zum Steg. Ihre Eltern genossen ihre Bootsfahrt noch und so kam sie nicht einfach hier weg. Da trat ein Mann auf sie zu und drückte ihr wortlos einen Brief in die Hand.