Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Mittwoch, Mai 11, 2005

Drittes Abenteuer - Kapitel I (2)

(zweiter Teil)

Kaum, daß sie zurück war, informierte sie leise Elrond und Zoe über das, was sie gerade erfahren hatte. Während sie noch mit den beiden sprach, sprang Andra auf einmal auf und stiefelte in die Küche. Liselle rannte hinterher.
„Was möchtet Ihr in der Küche, Andra? Habt Ihr Hunger?“ fragte sie besorgt.
„Nein, ich hab grad gegessen. Aber irgend etwas zog mich in die Küche,“ brummte Andra und schaute sich neugierig um.
Liselle gab der Magd den Auftrag, auf die Zwergin aufzupassen, damit sie nicht durch die Küchentür ins Freie rennen könne, und ihr Kräuter und ähnliches zu zeigen, falls sie danach verlangen sollte. Danach suchte sie Elrond, der auf Fayt einredete, daß er jetzt nicht spazieren gehen könne.
„Fayt, hört mir zu! Ihr werdet nicht draußen rumlaufen,“ erklärte ihm Liselle energisch.
„Warum nicht?“ Fayt verzog sein Gesicht.
„Weil Ihr und die Zwergin heute nachmittag überfallen worden seid. Ihr habt beide Euer Gedächtnis verloren und ich weiß nicht, wer für diesen Überfall verantwortlich ist. Ich kann auch nicht sagen, ob sich noch jemand hier herumtreibt. Und deswegen werdet Ihr das Haus nicht verlassen! Habe ich mich klar ausgedrückt?“
„Ja, habt Ihr,“ erwiderte Fayt trotzig und verließ das Speisezimmer.
„Liselle, ich habe das hier in Fayts Hand gefunden als deine Männer ihn hergebracht haben,“ wandte sich Elrond an sie und öffnete die Hand. Dort lag ein Stück Stoff, daß Fayt wohl im Kampf abgerissen haben mußte. Liselle erinnerte sich an den Zettel in Andras Hand, zog ihn aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch.
„Kannst du das lesen?“
„Nein, ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll,“ sagte Elrond nachdem er einen ausführlichen Blick auf den Zettel geworfen hatte.
„Das hatte ich befürchtet,“ seufzte Liselle. „Gibst du mir bitte den Stoffetzen, ich werde ihn morgen brauchen wenn mein Vater hier eintrifft.“
„Sicher,“ sagte er und reichte ihr den Fetzen, den sie zusammen mit dem Zettel wieder in die Hosentasche steckte.
„Geh bitte hinter Fayt her und paß auf, daß er nicht auf die Idee kommt, draußen spazieren zu gehen,“ bat sie Elrond, der sich auch prompt herumdrehte und das Zimmer verließ.
Liselle versuchte ihre Gedanken zu sammeln um Licht in das Rätsel zu bringen, was passiert sein könnte und vor allem, warum es passiert war, als ein ohrenbetäubendes Knallen aus der Küche zu hören war, das kurz darauf von Rauch gefolgt wurde, der unter der Tür herwaberte. Liselle nahm ihr Taschentuch, goß Wasser aus der Karaffe, die immer auf dem Tisch stand, darüber, hielt es sich vor das Gesicht und öffnete die Küchentür. Der Qualm war so dicht, daß sie nicht wirklich etwas erkennen konnte und so suchte sie sich vorsichtig ihren Weg zur Türe in den Hof und riß sie auf, ebenso das Fenster. Langsam zog der Qualm ab und Liselle konnte wenigstens wieder etwas erkennen. Andra und die Magd lagen bewußtlos am Boden. Liselle rief kurzerhand die Zofe herein und befahl ihr, die beiden versorgen zu lassen, da sie Geschrei aus der Halle hörte.

Zoe schrie und fauchte gerade Fayt an während Elrond an der geöffneten Haustür stand und bis über beide Ohren grinste.
„Was ist denn hier los?“ fragte Liselle die beiden, doch eine Antwort erhielt sie nicht. Zoe schimpfte und wetterte weiter.
„RUHE!“ brüllte Liselle in aller Lautstärke, die ihre Lungen hergaben. Zoe und Fayt schauten sie verdutzt an und Liselle verlangte eine Erklärung, was hier los sei.
„Er hat mich einfach auf der Treppe wie eine Teppichrolle unter den Arm geklemmt und mich dann auch noch fallen lassen als ich verlangt habe, daß er mich gefälligst los lassen soll!“ zeterte Zoe und funkelte Fayt böse an.
„Ich habe nur den Rauch gesehen und wollte sie schnell rausbringen,“ verteidigte sich Fayt.
„Ihr beide benehmt ...“ weiter kam Liselle nicht, der Anblick von Andra, die mit der Zofe im Schlepptau, in die Halle kam und darum rangelte, diese loszuwerden, verschlug ihr die Sprache. In dem Handgemenge löste sich ein kleines Fläschchen und segelte wie in Zeitlupe auf die antike Kommode in der Ecke zu. Bevor irgend jemand reagieren konnte, erschütterte eine Explosion die Halle und fegte jeden von den Beinen. Benommen rappelte sich Liselle wieder auf und schaute nach, ob sie irgendwo verletzt worden war. Bis auf ein Klingen in ihren Ohren ging es ihr gut. Auch Elrond stand wieder auf den Beinen und die beiden versicherten sich kurz, ob sie nicht doch etwas abbekommen hatten. Zoe lag auf dem Boden und jammerte herzerweichend, Fayt und Andra rührten sich nicht. Auch die Zofe war bewußtlos.
„Das glaube ich jetzt nicht!“ rief Liselle aus und deutete fassungslos auf die Wand, die ein sehr beträchtliches Loch aufwies. Von der Kommode war keine Spur mehr zu sehen.
„Mein Bein, mein Bein,“ jammerte Zoe und Liselle wandte den Kopf. Zoe hatte einen großen Holzsplitter im Bein stecken.
„Beruhig dich, es wird alles gut werden,“ sprach Liselle sanft auf ihre Freundin ein, die sich dann auch langsam beruhigte. Doch alle Bemühungen, die Fassung zu bewahren, waren vergessen, als Elrond zu den beiden kam, sich kurz Zoes Verletzung anschaute und mit einem Ruck den Splitter herauszog.
„Aua, was soll denn das?!“ Zoes Tonlage kletterte mühelos einige Oktaven nach oben. Doch Elrond beachtete sie nicht, riß einen Streifen aus seinem Hemd und verband die Wunde notdürftig. Dann fesselte er der bewußtlosen Andra Hände und Füße zusammen und nahm ihr alles ab, was irgendwie nach einem Fläschchen aussah bevor er sie nach oben verfrachtete. Liselle ließ Zoe von Pelor und seinem Gehilfen auf ihr Zimmer tragen und kümmerte sich um Fayt, der immer noch bewußtlos am Boden lag. Sie schüttelte ihn vorsichtig.
„Wo sind die Schweine, wo sind sie?“ mit diesen Worten sprang der Hüne auf, sobald er aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte, sah sich mit wilden Augen um und zog seine Waffen.
„Fayt, schaut mich an!“ Liselle faßte Fayt an den Unterarmen. „Ihr seid hier in Sicherheit, hier ist niemand, der Euch etwas tun will!“

„Wo sind die Schweine und wie bin ich hier her gekommen?“
„Ihr könnt Euch erinnern?“
„Ich kann mich daran erinnern, daß mich ungefähr zehn Männer angepöbelt und dann angegriffen haben. Irgendwann lag ich dann am Boden und das letzte, woran ich mich erinnere ist, daß Andra mit einem Schrei und gezogener Axt auf uns zugeschossen kam. Wie ich hier her gekommen bin, weiß ich nicht,“ erzählte Fayt.
„Laßt uns bitte in den Salon gehen,“ erwiderte Liselle und ging voraus. „Hört zu, ich habe Euch verletzt und bewußtlos im Wald gefunden, ebenso wie später Andra. Ein Magus hat euch geheilt und ihr konntet euch beide an nichts erinnern, noch nicht einmal an Zoe, Elrond und mich. Es scheint, als ob Eure Erinnerung zurück gekehrt ist. Nun ja, Andra hat sich Mühe gegeben, das Haus in die Luft zu jagen, deswegen habt ihr eben wieder bewußtlos auf dem Boden gelegen,“ berichtete Liselle dem Hünen.
„Hmm, daran kann ich mich nun nicht erinnern,“ entgegnete Fayt.
„Braucht Ihr jetzt auch nicht. Ich brauche allerdings von Euch alles, woran Ihr Euch von dem Überfall noch erinnern könnt. Habt Ihr einen Anlaß gegeben, daß die Männer auf Euch losgegangen sind?“
„Nein, ich habe den Karren mit Andras Sachen beladen und nichts getan oder gesagt.“
„Ist Euch etwas aufgefallen an diesen Männern? Wie waren sie gekleidet? Waren sie betrunken?“
„Nein, sie waren normal wie die Leute im Dorf auch gekleidet. Recht jung und nicht betrunken, ich habe keinen Alkohol gerochen.“
„Hmm. Sagt Euch das hier etwas?“ fragte Liselle und holte den Stoffetzen aus der Tasche, den Elrond in Fayts Hand gefunden hatte.
„Das ist ein Stück von dem Mantel des einen, der wohl offensichtlich der Rädelsführer war. Ich habe ihn am Kragen gepackt und in die Luft gehoben, dabei muß das Stückchen abgerissen sein.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob uns das helfen wird,“ seufzte Liselle.

„Du kannst jetzt im Moment ohnehin nicht mehr viel tun, laß uns alle schlafen gehen,“ erklang Elronds Stimme von der Türe her.
„Ich werde jetzt bestimmt nicht ins Bett gehen, ich hab noch genug zu tun hier!“ entgegnete Liselle scharf.
„Wie du meinst.“
„Ja, meine ich. Wo ist Andra?“
„Ich hab sie oben an ihr Bett gebunden.“
„Da ist sie wenigstens gut aufgehoben, ich hätte gut Lust, sie irgendwo im Wald auszusetzen. Frag sie, ob sie Zoe versorgen kann, wenn sie aufwacht und paß bloß auf, daß sie nicht wieder irgendwelchen Blödsinn macht,“ bat Liselle Elrond, der sich umdrehte und wieder die Treppe hochging.
„Wenn Euch noch irgend etwas einfällt und sollte es Euch auch bedeutungslos erscheinen, dann erzählt es mir bitte. Und bleibt im Haus,“ wandte sie sich an Fayt.
„Kann ich jetzt gehen oder brauchst du mich noch? Ich möchte gerne nach Zoe sehen,“ fragte Fayt und Liselle verneinte, er könne ruhig hoch gehen.

Liselle rief das Personal im Salon zusammen, organisierte die Aufräumarbeiten und gab Anweisungen, als sie erneutes Gezeter, diesmal von oben kommend, hörte. Sie entschuldigte sich und eilte die Treppe hinauf, dem Geschrei nach. Es führte sie in das Zimmer, wo Elrond Andra ans Bett gebunden hatte. Diese verlangte, daß man sie sofort losbinden solle.
„Könnt Ihr Euch um Zoe kümmern? Sie ist verletzt,“ erkundigte sich Liselle, sie mußte sich beherrschen, daß sie die Zwergin nicht vor Wut schüttelte. „Und könnt Ihr Euch daran erinnern, was geschehen ist?“
„Ich weiß, daß ich mit einem lauten Schrei auf die Gruppe von Männern zugelaufen bin, die Fayt zusammen geschlagen hat, die sich dadurch auch in die Flucht schlagen ließen. Dann habe ich Fayt in den Wald gebracht, seine Wunden versorgt, die Spuren verwischt und bin absichtlich in eine andere Richtung gegangen, da mir bewußt war, daß die Kerle wieder kommen würden. Naja, sie haben mich dann auch erwischt, das ist das letzte, woran ich mich erinnere,“ erzählte Andra während Elrond sie losband. „Doch jetzt laßt uns nach Zoe sehen.“

Nachdem Zoes Wunde von Andra versorgt und verbunden worden war und der besorgte Fayt sich wieder neben ihrem Bett nieder gelassen hatte, gingen Andra, Elrond und Liselle die Treppe hinunter. Liselle wollte Andra genauer befragen wegen der Männer, die für den Überfall verantwortlich waren.
„Oh, was ist denn da passiert?“ fragte Andra arglos und deutete auf das Loch in der Wand.
„Was da passiert ist? Nun, Ihr seid da passiert!“
„Wie meint Ihr das?“
„Wie ich das meine? Ihr habt das halbe Haus in die Luft gejagt,“ Liselles Ton wurde schärfer.
„Wie hab ich das denn gemacht?“
„Woher soll ich das wissen?“ und Liselle nahm die verdutzte Zwergin bei der Hand und die beiden zerrten sich gegenseitig in die Küche.
„Und das hier,“ Liselle deutete anklagend auf das Chaos, „geht ebenfalls auf Euer Konto!“
„Oh. Wißt Ihr noch die Rezeptur?“
„Wie bitte?“ das war eindeutig zuviel für Liselle, sie explodierte förmlich und hielt der Zwergin, die sie anstarrte als sei sie ein seltenes Tier, brüllend einen Vortrag. Danach stürmte sie durch die offene Küchentür auf den Hof und ging wütend fluchend auf und ab.
„Kommst du wieder rein? Laß uns ins Bett gehen,“ sagte Elrond leise zu ihr, als er den Hof betrat.
„Geh weg von mir, geht jetzt einfach weg von mir!“ knurrte sie.
„Gut, bis nachher dann. Beruhig dich erst mal,“ sagte er und verschwand im Haus.

Liselle brauchte eine Stunde bis sie sich beruhigt hatte. Sie ging in die Bibliothek, nahm Feder und Papier und machte sich Notizen, was diesen Tag passiert war, damit sie auch nichts vergessen konnte. Sie blies über die noch feuchte Tinte, nahm das Blatt dann und ging nach oben in ihr Zimmer. Elrond war nicht da, er schlief wohl in seinem Zimmer. Sie legte ihre Notizen auf ihren Schreibtisch und sah noch einmal nach Zoe. Fayt war immer noch in ihrem Zimmer.
„Wie geht es ihr?“ erkundigte sie sich leise, sie wollte ihre schlafende Freundin nicht aufwecken.
„Sie schläft und ich denke, nachdem Andra die Wunde versorgt hat, wird sie wohl nicht brandig werden,“ erwiderte Fayt. „Kann ich Euch kurz draußen sprechen?“
„Ja sicher,“ entgegnete Liselle und verließ das Zimmer leise. Fayt folgte ihr und zog die Türe hinter sich zu. „Was habt Ihr denn?“
„Ich habe mir Gedanken gemacht. Ihr habt doch Euren Vater benachrichtigen lassen?“
Liselle bestätigte das eben Gehörte mit einem Kopfnicken und schaute Fayt neugierig an.
„Habt Ihr Euch schon Gedanken gemacht, wie Ihr unsere Anwesenheit erklären wollt?“
„Nicht wirklich. Ihr seid kurz nach Eurem Aufbruch überfallen worden, weiter bin ich noch nicht gekommen,“ meinte Liselle.
„Nun, was haltet Ihr von der Idee, Eurem Vater zu sagen, daß Elrond schon auf dem Weg nach Thorwal war und Ihr ihn zurück geholt habt weil Andra und ich, die später aufbrechen wollten, verletzt aufgefunden wurden?“ fuhr er fort. „Ich mein ja nur, damit Ihr nicht noch mehr Ärger bekommt.“
„Ihr nehmt mir gerade eine Sorge von den Schultern,“ überrascht schaute Liselle den Hünen an. Das hätte sie nun nicht erwartet. „Eine gute Idee, habt Dank. Aber bitte, bleibt nicht die ganze Nacht auf um Zoe zu bewachen. Wenn Ihr müde werdet, geht bitte schlafen.“
„Keine Sorge, ich habe im Wald lange genug geschlafen,“ erwiderte er mit einem schiefen Grinsen.
Liselle wünschte ihm noch eine gute Nacht und ging in Elronds Zimmer wo sie ihn beim Tagebuch schreiben überraschte. Neugierig lugte sie über seine Schulter, doch er schrieb in einer Sprache, die sie weder lesen geschweige denn verstehen konnte. Er klappte das Tagebuch zu und die beiden gingen ins Bett. Liselle erzählte ihm noch von Fayts Idee bevor sie dann vollkommen geschafft die Augen schloß und einschlief. Draußen war schon das Gezwitscher der Vögel zu hören.