Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Sonntag, Mai 08, 2005

Zweites Abenteuer- Kapitel VII

29 n. Hal - 26. Tag im Monat des Phex

Liselle seufzte leise als sie sich herumdrehte und sah, daß die andere Hälfte des Bettes genau so leer war wie heute Nacht, als sie eingeschlafen war. Sie stieg aus dem Bett, kleidete sich an und ging ins Speisezimmer, wo Zoe und Fayt schon beim Frühstück saßen. Liselle war nicht danach, zu reden und so beschränkte sie sich darauf, in ihrem Essen herum zu stochern und immer wieder verstohlene Blicke zur Tür zu werfen.
„Wo bleibt der verdammte Kerl denn?“ dachte sie.
„Hat jemand Nurti gesehen?“ fragte Fayt just in diesem Augenblick, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
Die beiden Mädchen verneinten, auch Zoe hatte Elrond heute noch nicht gesehen.
„Ich geh mal schauen, wo er bleibt,“ erklärte Fayt, schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Als er wenige Minuten später wieder kehrte, stand Sorge in seinem Gesicht.
„Also, all seine Sachen sind weg, das Einzige, was noch da ist, sind seine Schmiedesachen,“ erklärte Fayt den beiden Mädchen.
„Wie, seine Sachen sind weg?“ hakte Liselle nach.
„Ja, im Zimmer ist nichts mehr, nur noch die Werkzeuge,“ wiederholte Fayt.
Nun trabten alle drei nach oben, um sich davon zu überzeugen, daß Elrond wirklich weg war. Auch Andra, die ihnen in der Halle entgegen kam, schloß sich ihnen an. Als Liselle mit eigenen Augen sah, daß Fayts Worte durchaus der Wahrheit entsprochen hatten, war sie einerseits erleichtert, da er so wenigstens nicht mit Patras zusammenstoßen würde, den sie für heute erwartete. Doch andererseits war sie auch enttäuscht, lediglich die Tatsache, daß sein Schmiede-Werkzeug noch da war, tröstete sie.
„Wo kann er denn hin sein?“ fragte Fayt.
„Wahrscheinlich ein paar Tage raus hier, zum Nachdenken, vermute ich. Der wird schon wieder auftauchen,“ meinte Andra.
„Ich muß ihn suchen!“ erklärte Fayt fest entschlossen.
„Nein, wenn ihn jemand sucht, dann ich!“ entgegnete Liselle ebenso fest entschlossen.
„Ihr?“ seinem Gesicht war anzusehen, daß er überhaupt nicht verstand, warum Liselle ihn jetzt suchen wollte.
Bald redeten alle durcheinander, Zoe schimpfte mit Fayt, daß er doch nicht einfach so gehen könne, Liselle redete auf Fayt ein, daß sie gehen wolle und daß es ihre Schuld sei, daß er weggegangen sei, Andra versuchte, Liselle davon zu überzeugen, daß Elrond schon nix passieren würde und Zoe schimpfte gleichzeitig noch darüber, daß Männer doch unmöglich seien. Als es Fayt schließlich zu bunt wurde, stapfte er einfach aus dem Zimmer, die Treppe hinunter, dicht gefolgt von dem Frauentrupp. Andra schaffte es, Fayt aufzuhalten und schwatzte ihm einen Trank auf, der ihm Ausdauer für die Suche verleihen sollte. Dafür erntete sie nicht nur einen bösen Blick von Zoe, sondern auch von Liselle.
Fayt ließ sich nicht weiter aufhalten, trat durch die Küchentür ins Freie und klappte dort wie vom Blitz getroffen zusammen. Liselle und Zoe schauten besorgt, doch da meinte Andra trocken zu ihnen: „So macht man das, Ladies!“
Mit einem besorgten Ausruf eilte Zoe zu Fayt und fragte Andra, ob das etwa Gift gewesen sei.
„Aber nein, nur ein harmloser Schlaftrunk, wenn ihr so wollt. Er wird ein wenig schlafen, aber ihm wird nichts geschehen,“ versicherte die Zwergin.
Liselle schaute die Zwergin respektvoll an, Andra offenbarte ja Seiten, die fast eines Streuners würdig waren.
Fayt wurde in sein Zimmer gebracht und die besorgte Zoe saß neben seinem Bett und wartete darauf, daß er wieder wach wurde. Sie war auch nicht davon zu überzeugen, daß sie ohnehin nichts tun konnte und so trollte Liselle sich selbst überlassen wieder nach unten.

Während sie durchs Haus strich und sich überlegte, was sie jetzt machen sollte und ob sie überhaupt irgendetwas tun könnte, traf sie auf Andra.
"Ihr hättet ihm ruhig davon erzählen können," bemerkte diese beiläufig.
"Wem wovon erzählen?" Liselle war in Gedanken gewesen und Andras Bemerkung hatte sie verwirrt.
"Na, Nurti von Eurem Mißgeschick mit meinem Experiment?" führte Andra aus und ihre Worte versetzten Liselle in Alarm.
"Ihr habt doch nicht etwa??"
"Was? Ihm davon erzählt? Naja, irgendwie schon ..."
"Irgendwie?" hakte Liselle nach, Andra mußte man wirklich jeden Satz einzeln aus der Nase ziehen.
"Ich habe versucht, herauszufinden, was bei meinem letzten Experiment falsch gelaufen ist und bin gestern nacht auf die Lösung gestoßen. Ich habe die Mixtur erneut angesetzt und das Ergebnis gestern nacht an den Schweinen im Stall getestet. Nurti muß mich wohl gesehen haben, als ich frohlockend aus dem Stall kam, hat die Schweine gesehen und mehr oder weniger eins und eins zusammen gezählt. Dann kam er in die Küche und wollte wissen, was jetzt eigentlich Sache sei und da habe ich ihm von Eurem Mißgeschick erzählt. Naja, und nu isser wech," schloß Andra ihren Bericht.
"Hmm," machte Liselle.
"Macht Euch keine Sorgen, wenn er sich beruhigt hat, wird er schon wieder kommen," sagte Andra und tätschelte ihr beruhigend auf die Hand.

"Mach mir bitte ein Pferd fertig, Pelor. Ich muß mal raus hier," befahl sie ihrem Pferdeknecht.
"Hamse Ärger, Mylady. Sie gucken ja ausse Wäsche wie sieben Tach Regenwetta," erwiderte Pelor und schaute sie fragend an.
"So könnte man das wohl auch ausdrücken," seufzte Liselle und sah Pelor hinterher, wie er im Stall verschwand.
Ungeduldig schritt sie auf und ab bis Pelor mit ihrem Grauschimmel wieder aus dem Stall auftauchte, ihr die Zügel in die Hand drückte und einen angenehmen Ausritt wünschte. Sie schwang sich in den Sattel, lenkte das Pferd vom Hof und ließ es in einen leichten Trab fallen. Sie ritt ziellos durch die Landschaft und überließ dem Pferd, wo es hinwollte. Der Grauschimmel hatte offenbar feste Vorstellungen, wo der Ritt hingehen sollte, denn plötzlich fand sich Liselle kurz vor dem nächsten Dorf wieder. Liselle ergriff die Gelegenheit um sich in der Dorfschenke bei einem Krug frischen Bieres weiter über ihre Situation nachzugrübeln.
"Das bringt doch alles nichts," seufzte sie, bezahlte ihr Bier und machte sich auf den Heimweg.

"Herrin, Euer Gast ist eingetroffen und wartet in Eurem Zimmer auf Euch," meldete die Haushälterin ihr als sie das Haus betrat.
"Welcher Gast?" fragte sie und zog die Augenbrauen hoch, sollte Elrond etwa zurück gekehrt sein.
"Euer Gast aus der Stadt, der für Eure morgige Feier angereist ist," gab die Haushälterin Auskunft.
"Oh, Patras ist schon da," sagte sie zu sich, als sie die Treppe zu ihrem Zimmer hoch ging.
Er sprang aus dem Sessel, in dem er gesessen und augenscheinlich gelesen hatte während er auf sie wartete. Verlegen standen sich die beiden gegenüber, es war viel passiert bevor sie abgereist war. Patras wirkte nervös.
"Sag mal, diese Zwergin, sie ist dein Gast?" erkundigte er sich.
"Ja, leider," erwiderte sie und erzählte ihm, warum Andra im Haus war und was geschehen war. Sie sagte ihm auch, daß sich Elrond im Haus befunden hatte und mit unbekanntem Ziel auf unbekannte Zeit verschwunden sei. Daß sie von Andras Experiment probiert hatte und welche Folgen es nach sich gezogen hatte, verschwieg sie dagegen. Schließlich war die Situation auch so schon kompliziert genug. Fast schüchtern und ganz untypisch für ihn ging Patras auf sie zu und schloß sie in die Arme.
"Ich hab dich vermißt, meine Süße," murmelte er und küßte sie sanft auf die Stirn.
Liselle wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen und wünschte sich, sie könnte ihm erzählen, was wirklich passiert war und was in ihr vorging, doch wie er sie behandelte wirkte er so verletzlich. Da auch ihm der Sinn nicht danach stand, mit ihr zu schlafen, lagen sie die halbe Nacht im Bett und redeten über das, was in Gareth passiert war. Die Ereignisse machten Patras immer noch zu schaffen und so hörte Liselle ihm zu, während sie in seine Arme gekuschelt neben ihm lag und ihr schlechtes Gewissen niederkämpfte.