Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Sonntag, Mai 01, 2005

Erstes Abenteuer - Kapitel IX

29 n. Hal - 17. Tag im Monat des Phex

Noch vor dem Frühstück war Liselle auf den Beinen und ließ den Kutscher die Pferde vor den Zweispänner schirren. In einen unauffälligen, schlichten Kleid stieg sie in die Kutsche und wies den Kutscher an, sie zur Herberge "Schwert und Panzer" zu bringen. Die Herberge war eine traditionelle Unterkunft der Söldner, die es nach Gareth zog in der Hoffnung, hier Lohn und Brot zu finden. Dementsprechend rauh war auch der Umgangston dort und es schien ihr keine gute Idee, dort wie eine Adelige aufzutreten.
Als sie den Schankraum betrat, sah sie Fayt mit nach vorne hängenden Schultern beim Frühstück sitzen. Ohne zu zögern trat sie an seinen Tisch und setzte sich.
"Ihr wißt, warum ich hier bin," stellte sie fest. "Nun denn, akzeptiert Ihr meine Entschuldigung?"
"Hmm, ja," brummte er.
"Merkt Euch das, die Gerechtigkeit ist in dieser Stadt käuflich und nicht immer sind die Menschen das, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen," fügte sie hinzu
"Und Ihr habt hoffentlich verstanden, daß man Menschen so nicht behandelt," sagte er in verletztem Ton.
"Glaubt mir, ich begehe nie den selben Fehler zweimal," erklärte sie mit einem ominösen Lächeln. "Nun denn, beendet Euer Frühstück, damit wir zum Haus meiner Familie fahren können."
Danach ging sie, bezahlte Fayts Frühstück und wartete in der Kutsche auf ihn.

Im Salon des Stadtpalais waren bereits ihre Brüder, ihre Eltern sowie Zoe und Elrond versammelt. Zu ihrem Erstaunen waren Andra und Elvion Feuerglanz ebenfalls anwesend.
"Schon wieder dieser Elfenmagier," wunderte sie sich in Gedanken.
Liselle setzte sich auf ihren Lieblingssessel, schlug die Beine damenhaft übereinander und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Fayt seinem Freund zunickte.
"Da nun alle versammelt sind, möchte ich euch etwas wichtiges mitteilen," begann Elrond und alle Gesichter wandten sich ihm zu. "Ich habe Neuigkeiten von zu Hause bekommen und ich muß euch leider sagen, daß ich mich nicht mit Eurer Tochter verloben kann."
Liselle hätte mit einem Aufruhr gerechnet, doch sogar ihr Vater blieb erstaunlich ruhig, als hätte ihm die Köchin gerade lediglich mitgeteilt, was es zum Abendessen geben würde und nicht, als ob gerade die Verlobung, von der er so begeistert war, platzte. Es lag eine friedliche und entspannte Stimmung im Raum, sogar Liselle merkte, wie ihr Haß sich allmählich aufzulösen schien. Das paßte gar nicht zu ihrem Naturell, so etwas wie die Ereignisse der letzten Tage einfach wohlwollend beiseite zu legen. Mißtrauisch blickte sie Elvion an. Ob er damit etwas zu tun hatte?
„Ihr müßt wissen, ich war bereits verlobt, mit der Tochter einer befreundeten Familie meiner Mutter. Doch leider kam es zu einem Überfall auf ihre Reisegruppe und obwohl man nie ihren Leichnam gefunden hatte, schien es nicht sehr wahrscheinlich, daß sie als Einzige überlebt haben sollte. Man hat wochenlang die ganze Gegend durchkämmt, doch sie wurde nicht gefunden. Jetzt hat man in einem Dorf in der Nähe von Thorwal ein verwirrtes Mädchen in der Wildnis gefunden und die Beschreibung, die meiner Mutter zu hören bekam, deutet darauf hin, daß es sich um meine tot geglaubte Verlobte handelt. Ich hoffe, Ihr versteht meine Entscheidung, von der Verlobung zurück zu treten und dem nachzugehen. Es wäre nicht recht von mir, Eure reizende Tochter zu heiraten, unter diesen Umständen,“ führte Elrond aus.
Im Raum herrschte ergriffenes Schweigen und die Baronin wischte sich sogar verstohlen eine Träne aus dem Auge.
„Aber natürlich mein Lieber. Wenn Ihr Hilfe benötigt, dann wendet Euch doch bitte an mich, damit ich Euch unterstützen kann, sowie es in meiner Macht steht,“ der Baron trat auf Elrond zu und legte ihm ergriffen die Hände auf die Schultern.
Selbst Liselle, die eigentlich immer noch wütend auf ihn hätte sein müssen, war von dieser Geschichte gerührt, auch wenn sie vermutete, daß sie von vorne bis hinten erlogen war. Doch sie ging diesem Gefühl nicht weiter nach.

Man verabschiedete die Gäste mit der Versicherung, daß man Elrond und Andra unterstützen würde, sollte es nötig sein, und dann schloß sich die große Tür hinter der Zwergin und ihren Begleitern.
„Hoffentlich sehe ich den und seine vermaledeiten Freunde so schnell nicht wieder,“ dachte Liselle, als die Tür mit einem leisen Klicken ins Schloß fiel.