Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Donnerstag, Mai 12, 2005

Drittes Abenteuer - Kapitel II (1)

(erster Teil)
29 n. Hal - 29. Tag im Monat des Phex

„Laß das bitte ein Albtraum gewesen sein,“ waren Liselles erste Worte, als sie nach viel zu wenig Schlaf die Augen öffnete und die Erinnerungen an die letzte Nacht wieder sehr lebendig vor ihrem inneren Auge standen.
„Ich fürchte, das war ein sehr realer Albtraum,“ entgegnete Elrond.
„Wäre ja auch zu schön gewesen,“ brummte Liselle, kletterte aus dem Bett und zog sich Hose und Bluse an. „Ich geh nach Zoe schauen.“

Zoe saß im Bett und schaute nicht gerade sehr glücklich drein als Liselle ihr Zimmer betrat.
„Guten Morgen, wie geht es dir?“
„Mein Bein tut fürchterlich weh und mir ist langweilig im Bett,“ möpperte Zoe.
„Soll ich Andra Bescheid sagen, daß du Schmerzen hast?“ erkundigte sich Liselle.
„Ja, bitte.“
Also machte sich Liselle auf die Suche nach Andra, doch von der Haushälterin erfuhr sie, daß diese schon bei Sonnenaufgang das Haus zum Kräutersuchen verlassen hatte. Sie trug der Haushälterin auf, doch bitte Andra Bescheid zu sagen, daß Zoe sie brauche sobald diese wieder zurück kam. Mit den schlechten Nachrichten kehrte sie in Zoes Zimmer zurück.
„Tut mir leid, Andra ist schon weg. Alles, was ich für dich tun kann, ist höchstens, dir einen Kräuterschnaps anzubieten, auch wenn es nicht viel helfen wird,“ eröffnete Liselle ihrer Freundin.
„Na gut, dann möchte ich einen,“ erwiderte diese.
Liselle rief nach der Magd und ließ sie einen Schnaps holen. Als die Magd das Zimmer wieder betrat, mit dem verlangten Becher Schnaps auf einem Tablett, lag ein merkwürdiges Schmunzeln auf ihrem Gesicht. Als sie Zoe den Becher servieren wollte, fiel ihr dieser aus der Hand.
„Hoppla, entschuldigt bitte vielmals,“ sagte sie und Liselle musterte sie scharf.
„Bring bitte einen neuen und stell dich damit nicht wieder so ungeschickt an,“ sagte Liselle.
„Sofort, Mylady.“
Der nächste Versuch ging nicht daneben und die Magd verließ das Zimmer mit einem verstohlenem Grinsen auf dem Gesicht. Liselle beschloß, nachher mit ihr zu reden. Sie blieb noch eine Weile bei Zoe, die sich über Fayt aufregte, der ja so unmöglich war.
„Du, ich habe noch zu tun. Bist du mir böse, wenn ich jetzt wieder gehe? Ich werde nachher noch einmal bei dir vorbeischauen,“ sagte Liselle.
„Nein, nein. Geh ruhig,“ erwiderte Zoe.
„Sag mal, du weißt schon, daß Fayt die ganze Nacht an deinem Bett gesessen hat, oder?“
erkundigte sich Liselle, die Türklinke schon in der Hand.
„Nein, das wußte ich nicht,“ gab Zoe kleinlaut von sich.
„Dann denk mal drüber nach. Ich glaube, da ist eine Entschuldigung fällig,“ mit diesen Worten verließ Liselle das Zimmer ihrer Freundin, die ein ziemlich betroffenes Gesicht machte.

Sie begutachtete noch kurz die Aufräumarbeiten, die schon soweit fortgeschritten waren, daß Küche und Halle nur noch wie ein mittelgroße Katastrophe und nicht mehr wie das absolute Chaos aussahen, bevor sie zu Elrond ins Zimmer ging. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, blieb sie wie angewurzelt stehen.
„Was ist das?“ rief sie verdutzt, Elrond gab gerade einem Wesen, das verdächtige Ähnlichkeit mit den Dingern hatte, die Elvion hinter Patras hergeschickt hatte, einen Brief, das daraufhin mit einem Schimmern in der Luft verschwand.
„Ein Elementar,“ entgegnete Elrond gelassen.
„Und was macht dieses ... Elementar in meinem Haus?“
„Es hat mir Briefe gebracht,“ erklärte er und setzte sich wieder an den Schreibtisch.
„Aha, in meiner Welt schickt man Briefe mit dem Boten,“ sie trat hinter ihn und lugte über seine Schulter.
„So geht es aber schneller,“ sagte er und küßte sie. „Reg dich nicht auf, der kam von meiner Familie.“
„Oh, was schreiben sie denn?“ fragte sie und deutete auf einen Brief, der vor ihm lag.
„Meine kleine Schwester ist schwanger und es gibt wohl Ärger. Wir werden also nach Thorwal reisen. Ach, bevor ich es vergesse, meine Mutter hat auch einen Brief mitgeschickt, den wir deinem Vater zeigen können. Meine Verlobte, die angeblich gefunden wurde, war doch nicht meine Verlobte.“
„Ich dachte, die Geschichte mit deiner wieder aufgefundenen Verlobten wäre nur ein Märchen gewesen, um dich aus geplanten Verlobung mit mir zu schwindeln?“ fragte Liselle verunsichert.
„Ja schon, aber wir brauchen eine Erklärung für deinen Vater, warum ich wieder hier bin und jetzt doch nicht irgendein Mädchen heiraten werde. Im Übrigen war ich wirklich mal verlobt, doch die Eltern des Mädchens waren der Meinung, ich sei nicht der Richtige für ihre einzige Tochter und haben sie weg geschickt,“ führte Elrond aus.
„Oh, na dann,“ entgegnete Liselle. „Ich muß noch mit einer der Mägde reden und mit den Handwerkern, wenn sie denn mal auftauchen. Was hast du heute noch vor?“
„Nun, ich würde gerne eure Schmiede benutzen wenn du nichts dagegen hast.“
„Hmm, mal schauen. Es ist ja noch hell draußen und solange du keinen vom Schlafen abhältst,“ genehmigte Liselle und grinste schelmisch. „Kommst du mit nach unten?“
„Du bist ein Miststück,“ er grinste zurück, schließlich wußte er, worauf sie anspielte, und erhob sich.

Die beiden gingen gerade gemeinsam die Treppe hinunter als sie die Haustür zufallen hörten. Es war Liselles Vater, Baron von Oltenburg, der nun in der Halle stand und fassungslos das Loch in der Wand begutachtete.
„Hallo Vater,“ begrüßte Liselle ihn.
„Tochter,“ der Baron trug einen Gesichtsausdruck zur Schau, den Liselle nur all zu gut kannte. Gleich würde es ein Donnerwetter geben. Elrond wollte sich gerade davon schleichen, als der Blick des Barons auf ihn fiel.
„Sofort stehen bleiben, junger Mann,“ befahl der Baron in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. Wie ertappt blieb Elrond stehen und schaute hilflos zu Liselle.
„Kannst du mir das da erklären?“ verlangte der Baron von seiner Tochter und deutete gebieterisch auf die zerstörte Wand.
Liselle erklärte ihm in Kürze, wie das Ganze passiert war und fügte am Ende noch hinzu, daß sich Andra zum Glück nicht mehr an die Rezeptur erinnern könne.
„Schade eigentlich, damit ließe sich gut Geld verdienen,“ murmelte der Baron und sah seine Tochter grimmig an.
„Was fällt dir eigentlich ein, eine Alchimistin mit Gedächtnisschwund in die Küche zu lassen? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“ donnerte der Baron.
„Ich wußte ja nicht einmal, daß sie Alchimistin ist. Für mich war sie eine Heilkundige, mehr nicht,“ entgegnete Liselle ruhig.
„Wenn du mal deine Nase in deine Bücher stecken würdest, dann wäre dir das wohl klar gewesen,“ fuhr der Baron fort. Er wedelte noch mit etwas, das verdächtig nach einer Rechnung aussah, herum und hielt seiner Tochter eine Standpauke, in der häufig Worte wie „Verantwortung“, „teuer“ und „jugendlicher Übermut“ auftauchten. Liselle ließ ihn erst einmal wettern, er würde sich schon wieder beruhigen.
„Vater, können wir uns bitte im Salon weiter unterhalten? Es gibt noch etwas, das ich mit dir besprechen muß,“ sagte Liselle als der Ton ihres Vaters wieder gemäßigtere Lautstärke angenommen hatte.
„Kommt da etwa noch mehr?“ fragte ihr Vater und blickte Elrond verstohlen an.
„Ja, aber nicht hier, im Salon,“ drängte Liselle und ging voraus.
„Was ist denn noch, was so dringend ist?“ wollte der Baron wissen nachdem sich alle drei gesetzt hatten und ließ seinen Blick zwischen Elrond und Liselle hin und her wandern.
Liselle berichtete von dem Überfall auf Fayt und Andra, wie sie die beiden gefunden hatte, was sie veranlaßt hatte und daß die Spur an der Grenze zum Besitz der Hochstettens geendet hatte.
„Hmm,“ machte der Baron und sah nicht allzu glücklich aus, ein Überfall auf seine Gäste war eine ernste Angelegenheit.
„Entschuldige mich bitte einen Augenblick, ich gehe eben meine Notizen holen und den Fetzen Stoff, den Fayt in der Hand hielt als wir ihn gefunden haben,“ mit diesen Worten stand Liselle auf und verließ den Salon.

Als sie wenige Minuten später zurückkehrte, war sämtlicher Ärger aus dem Gesicht ihres Vaters verschwunden, ja er strahlte regelrecht. Auch Elrond hatte ein versonnenes Lächeln im Gesicht als er sich entschuldigte und in Richtung Schmiede verschwand. Irritiert legte Liselle ihrem Vater die Notizen und das Stückchen Stoff vor.
„Sag mal, gibt es etwa irgendwie Ärger mit den Hochstettens?“ erkundigte sie sich.
„Nun ja, so ein bißchen vielleicht,“ antwortete ihr Vater verlegen. „Weißt du, vor gut einem Jahr ist ein Landbesitzer ohne Erben verstorben. Ich würde das Land gerne erwerben und da bin ich wohl nicht der Einzige, die Hochstettens wollen das genauso gerne haben. Nun, seit einem Jahr ist dieser Kleinkrieg schon im Gange, seine Leute piesacken unsere und die schlagen zurück.“
„Meinst du nicht, du hättest mir das vielleicht mal sagen sollen?“ fragte Liselle.
„Ich hatte das irgendwie vergessen und ich hätte auch nie daran gedacht, daß unseren Gästen was passieren könnte,“ führte der Baron aus.
„Tja, es ist aber was passiert. Deswegen habe ich dich rufen lassen, nicht nur, weil die Zwergin das Haus fast in die Luft gejagt hätte. Immerhin ist es dein Land und deine Aufgabe, dem nachzugehen und Recht zu sprechen.“
„Ich weiß, Liselle. Das war sehr umsichtig von dir,“ meinte der Baron, sah sie an und strahlte plötzlich. „Ich mache dir einen Vorschlag: du schaust, ob du das nicht irgendwie geregelt bekommst und ich vergesse dafür die Rechnung für all das,“ sagte er mit einer weit ausholenden Handbewegung.
„Ich? Wie soll ich das denn regeln?“ Liselles Gesichtsausdruck schwankte zwischen Entsetzen und Stolz, daß ihr Vater sie mit dieser Aufgabe betrauen wollte. „Hmm, Max war mit Zoe auf dem Ball in Gareth, da ließe sich bestimmt etwas arrangieren.“
„Das ist eine großartige Idee,“ stimmte der Baron begeistert zu und klopfte ihr auf die Schulter. „Du wirst das schon machen, die endgültige Kaufverhandlung ist übermorgen. Und jetzt laß uns über etwas anderes reden. Was ist da eigentlich zwischen dir und diesem jungen Mann, Elrond Feuerlilie?“
„Ähem, wie meinst du das jetzt?“ wich Liselle mißtrauisch aus.
„Na komm schon, daß sehe sogar ich, daß ihr beide euch ... nun ja, zugetan seid,“ ihr Vater schmunzelte.
„Ich weiß nicht, wovon du da sprichst. Er war auf dem Weg nach Thorwal und ich habe ihn zurück rufen lassen weil seine Gefährten verletzt waren. Das ist alles,“ log Liselle.
„Halt mich doch nicht für dumm, Liselle. Ich sehe, was ich sehe. Und ich bin immer noch der Meinung, er ist eine gute Wahl. Seid ihr euch denn näher gekommen?“ der Baron ließ nicht locker.
„Näher gekommen?“ Liselle wurde hochrot, das war kein Thema, daß man mit seinem Vater besprechen möchte.
„Schon gut, meine Tochter. Ihr beide habt meinen Segen,“ lachte der Baron angesichts des roten Antlitzes seiner Tochter und küßte sie auf die Stirn. „Möget ihr beide glücklich miteinander werden. Nun entschuldige mich aber bitte, ich muß zurück nach Gareth. Meine Geschäfte, du verstehst?“
„Ja, ja. Verlaß dich auf mich, ich werde schon eine Lösung für dein Problem finden,“ sagte Liselle, froh, daß ihr Vater dieses peinliche Thema nicht weiter vertiefen wollte. Sie brachte ihn noch zur Tür und verabschiedete ihn. Liselle blickte ihm kurz versonnen nach. Elrond mußte sich verplappert haben, darüber würde sie mit ihm noch diskutieren. Sehr ausführlich.