Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Freitag, Mai 13, 2005

Drittes Abenteuer - Kapitel II (2)

(zweiter Teil)

„Gut, dann benutzt solange die Küche im Gesindehaus bis der Ersatzherd hier ist,“ ordnete Liselle an, nachdem sie erfahren hatte, daß der in die Luft geflogene Herd bereits eine Notlösung war. Der eigentliche Herd war kaputt gewesen und so hatte Andra nur den alten Herd zerstört.
„Mylady, da kann man aber nicht so kochen wie das hier möglich war,“ entschuldigte sich die Haushälterin bei ihr.
„Das ist kein Problem, ich hatte nicht vor in den nächsten Tagen Fünf-Gänge-Menüs auftischen zu lassen. Für einfache Sachen wird er doch reichen, oder nicht?“
„Ja sicher, dafür schon. Ich werde dann sehen, was sich da noch machen läßt,“ stimmte die Haushälterin ihr zu.
„Laß mich bitte wissen, wenn die Handwerker eingetroffen sind,“ sagte Liselle gerade als Andra in der Küchentür auftauchte.
„Oh, da seid Ihr ja endlich. Zoe hat schon nach Euch verlangt, sie hat Schmerzen in ihrem Bein und ist ziemlich unleidlich. Ich hab ihr einen Kräuterschnaps gegeben, ich hoffe, das war nicht falsch,“ wandte sie sich an die Zwergin.
„Nein, nein, Schnaps ist nicht verkehrt. Ich gehe gleich nach ihr schauen, Ihr könnt mich dabei gerne begleiten,“ sagte Andra und stiefelte los in Zoes Zimmer.

Andra packte ihre Instrumente an Zoes Bett aus und die Augen der Mädchen wurden immer größer ebenso wie die Instrumente immer größer wurden. Als Andra schließlich eine Knochensäge auspackte, fragte Zoe, wofür sie diese denn benötigte.
„Nun ja, das Bein muß ab,“ erklärte Andra trocken.
„Wie, das Bein muß ab?“ fragte Zoe panisch.
„Ja, entweder das Bein oder Euer Leben,“ sagte die Zwergin, ohne eine Miene zu verziehen. Zoe fiel in Ohnmacht.
„Ich krieg sie doch alle,“ brummte Andra und grinste bis über beide Ohren.
„Ihr wollt Zoe nicht allen Ernstes das Bein abnehmen oder?“ Liselle guckte die Zwergin mißtrauisch an.
„Nein, nein, das war lediglich ein kleiner Ärztewitz, wenn Ihr so wollt. Aber da sie nun in Ohnmacht gefallen ist, brauche ich ihr nichts mehr zur Betäubung zu geben,“ erklärte Andra.
„Ein Ärztewitz?“ Liselle war fassungslos.
Sie beobachtete, wie die Zwergin die Wunde säuberte, ein paar kleinere Holzsplitter entfernte und anfing, eine Bandage anzulegen.
„Ihr seid auch nicht so harmlos, wie Ihr ausseht,“ bemerkte Liselle nebenbei.
„Wie meint Ihr das?“ die Zwergin hielt inne und schaute Liselle mißtrauisch an.
„Ach, ich erinnere mich da an so einen Trank, der angeblich die Ausdauer stärken sollte und der Fayt ausgeschaltet hat.“
„Was hätte ich sonst machen sollen? Ihr Mädchen hättet ihn nie im Leben aufgehalten.“
„Deswegen sagte ich, daß Ihr auch nicht so harmlos seid.“
„Das sagt die Richtige,“ schnaubte die Zwergin und zog den Knoten der Bandage fest.
„Wie bitte?“
„Als ob Ihr so harmlos seid. Ihr treibt Euch mit Streunern herum und seid alles andere als das liebe Mädchen, für das Papa Euch hält,“ brummte die Zwergin und sammelte ihre Instrumente wieder ein.
„Das ist ja wohl mein Problem, nicht Eures,“ entgegnete Liselle kühl.
„Nicht mein Problem? Wer hat denn bitte all die Bestechungen bezahlt, damit unter anderem auch Euer Name nicht in den Schmutz gezogen wird?“ sagte die Zwergin anklagend.
„Erstens habe ich Euch nicht darum gebeten und zweitens wäre das alles nur halb so schlimm gewesen wenn Ihr Euren Schützling besser unter Kontrolle gehabt hättet. Schließlich war die ganze Drängerei auf die Hochzeit seine und nicht meine Idee,“ erwiderte Liselle beherrscht, die Zwergin machte sie wütend. Seitdem sie in ihrem Leben aufgetaucht war, gab es nur Ärger und Schwierigkeiten sobald sie sich auch nur umdrehte.
„Dann heilt Eure Freundin doch auch selber!“ fauchte Andra wütend.
„Ihr seid nicht die einzige Heilkundige auf dieser Welt,“ fauchte Liselle zurück.
„Bitte, dann geh ich eben,“ die Zwergin packte ihre Sachen und schickte sich an, zu gehen.
„Wie Ihr wollt, ich halte Euch nicht auf. Da vorne ist die Türe. Benutzt sie oder laßt es bleiben,“ teilte Liselle Andra mit und bedachte die Zwergin mit einem kalten Blick. Ohne ein weiteres Wort verschwand Andra.

Liselle ärgerte sich immer noch über Andra als sie im Garten auf Fayt stieß, der auf sie einen sehr bekümmerten Eindruck machte.
„Was habt Ihr denn? Ihr seht nicht sehr glücklich aus,“ fragte sie den Hünen und setzte sich zu ihm. Sie hatte natürlich eine Vermutung, was mit ihm los sein könnte, sprach diese jedoch wohlweislich nicht aus.
„Ach, ich bin verwirrt,“ seufzte er.
„Wegen was?“ erkundigte sich Liselle einfühlsam.
„Diese Frau verwirrt mich. Erst schnauzt sie mich an, weil ich ihr nicht Bescheid gesagt habe und dann geh ich auf der Feier auf sie zu und das ist auch wieder nicht richtig,“ schüttete ihr Fayt sein Herz aus. „Frauen sind mir zu kompliziert.“
„Hmm,“ machte Liselle.
„Und dann geht sie auch noch mit diesem Kerl nach oben,“ sagte Fayt und ballte die Fäuste. „Ich hoffe, es hat ihr wenigstens Spaß gemacht.“
„Hat es nicht.“
„Hat es nicht?“ echote er.
„Nein, ich habe mit ihr darüber gesprochen. Ach ja, wo wir gerade dabei sind, hat sie sich eigentlich bei Euch entschuldigt für ihre schlechte Laune heute morgen?“
„Ja, hat sie. Aber wißt Ihr was, der Kerl, den sie da hatte, der wird sich noch lange an mich erinnern. Dem ist das Grinsen wohl gründlich vergangen,“ Fayt lächelte, zufrieden mit sich selber.
„Warum das denn?“ Liselle hatte auf einmal das Gefühl, daß ihr nicht gefallen würde, was Fayt ihr bislang verschwiegen hatte.
„Der Kerl kam mit einem breiten Grinsen die Treppe runter und da habe ich ihm eins aufs Kinn gegeben. Es hat verdächtig geknirscht und das Geräusch kenne ich. Ziemlich sicher habe ich ihm den Kiefer gebrochen,“ erklärte Fayt und schaute sie nach Bestätigung heischend an.
„Du hast was?“ Liselle glaubte, sich verhört zu haben. „Als ob ich nicht schon genug Ärger habe.“
„Nun, er hat mich wütend gemacht und dann ist das eben so passiert. Ich weiß ja selber nicht, was mit mir los ist, solche komischen Gefühle kannte ich bis jetzt gar nicht. Wißt Ihr, bis vor kurzem war ich noch ein Sklave in der Arena Al’Anfas und da hieß es immer, entweder ich töte oder ich werde getötet. Andra hat versucht, mir zu erklären, was mit mir los ist aber so ganz verstehe ich das alles noch nicht“ versuchte Fayt zu erklären, offenbar verschüchtert von ihrer Reaktion. „Ihr könnt übrigens ruhig Du zu mir sagen.“
„Oh, daß wußte ich nicht. Ich kann dich zwar jetzt verstehen, warum du das gemacht hast, doch du kannst nicht einfach hingehen und einem meiner Gäste den Kiefer brechen nur weil du gerade wütend bist. Das geht einfach nicht.“
„Soll ich das Gut verlassen? Das wäre wahrscheinlich besser so, bevor ich noch mehr Unheil anrichte,“ bot er an.
„Nein, nein. Bis jetzt hat sich noch niemand gemeldet und selbst wenn, das werde ich schon irgendwie aus der Welt schaffen können. Aber bitte versprich mir etwas,“ Liselle schaute Fayt eindringlich an.
„Ja, was denn?“
„Wenn du das nächste Mal wütend bist oder verwirrt wegen Zoe, dann komm bitte zu mir und hau nicht einfach wieder irgendwen? Geht das?“ fragte sie sanft.
„Ja, wenn Ihr mir das befehlt, dann werde ich das machen,“ erwiderte er leise.
„Nah, sag du zu mir und ich kann dir nichts befehlen, ich kann dich nur darum bitten. Den Unterschied kennst du doch oder nicht?“
„Ja, kenne ich mittlerweile. Also ich komme dann zu dir wenn ich wieder so etwas habe,“ versprach er.
„Genau. Dann erkläre ich dir, wie man so etwas ohne Handgreiflichkeiten regeln kann. Und jetzt hoffen wir mal, daß derjenige nicht hier auftaucht und Ärger macht,“ sie lächelte Fayt aufmunternd an. „Und jetzt laß den Kopf nicht mehr hängen.“
„Ich werde noch ein wenig über das, was du und Andra mir gesagt haben, nachdenken,“ erwiderte er und lächelte ebenfalls.

„Mir ist langweilig,“ beschwerte Zoe sich als Liselle kurz nach ihrem Gespräch mit Fayt bei ihr vorbeischaute.
„Dann steh doch auf,“ entgegnete Liselle und deutete auf die Krücke.
„Aber Andra macht dann bestimmt wieder einen Aufstand,“ meinte Zoe.
„Glaub ich nicht, sonst hätte sie bestimmt nicht erlaubt, daß man dir eine Krücke bringt. Woher hast du das Ding eigentlich?“
„Fayt hat es mir hoch gebracht. Ist das nicht lieb von ihm?“
„Hast du dich auch bei ihm entschuldigt?“
„Ja, habe ich. Du hattest Recht,“ erklärte Zoe.
„Hat er dir auch erzählt, daß er dem Kerl, mit dem du dich auf der Feier vergnügt hast, den Kiefer gebrochen hat?“ erkundigte sich Liselle.
„Er hat was?“
„Ihm den Kiefer gebrochen. Keine Sorge, ich habe ihm deswegen schon den Kopf gewaschen. Kommst du nachher runter zum Abendessen? Es wird nichts großartiges geben, vermutlich kalte Küche.“
„Ja, ich hab ja die Krücke da,“ erwiderte Zoe nachdenklich bevor Liselle sie wieder alleine ließ.

Gerade als die vier sich zum Abendessen an den Tisch gesetzt hatten, ging die Tür auf und eine Bäuerin trat mit einem Korb ein.
„Den hier soll ich für einen gewissen Fayt Leingod abgeben,“ erklärte sie den vier verwunderten Gefährten, stellte den Korb auf den Tisch und war auch wieder verschwunden bevor jemand was sagen konnte.
Fayt schaute kurz in den Korb, nahm den Zettel heraus und schob ihn dann zu Zoe hinüber.
„Bitte, nehmt Euch etwas. Es riecht lecker,“ sagte er.
„Nein danke, ich mag nicht,“ meinte Zoe spitz.
„Dann eben nicht,“ Fayt stand auf und ging einfach aus dem Zimmer.
„Elrond, geh hinterher. Ich habe mit Euch allen zu sprechen,“ schickte Liselle ihren Liebsten los.
„Und du,“ sie deutete auf Zoe, „nimmst jetzt diesen Korb und sagst artig danke schön, wir haben andere Sorgen als euer zickiges Gezeter! Habe ich mich klar ausgedrückt?“
„Ja, ist ja gut,“ murrte Zoe. „Aber ...“
„Nichts aber!“ Liselles Ton verbot sich jede Widerrede.
Nachdem Elrond mit dem brummigen Fayt im Schlepptau ins Eßzimmer zurück gekehrt war, berichtete Liselle, was sie von ihrem Vater bezüglich des Streites mit den Hochstettens erfahren hatte.
„Hochstetten? Dein Vater streitet sich mit den Hochstettens?“ Zoe wurde blaß und Liselle befiel eine böse Vorahnung.
„Deswegen sind Andra und Fayt überfallen worden?“ fragte Elrond.
„Wer ist denn dieser Hochstetten?“ wollte Fayt wissen.
„Moment, nicht alle durcheinander,“ sagte Liselle und ihrer Vorahnung nachgehend fragte sie Fayt, ob er sich erinnern könne, wem er den Kiefer gebrochen hatte.
„Nun, ich kenne seinen Namen nicht. Aber ich hab ihn auch mit Zoe auf dem großen Ball in Gareth gesehen,“ gab Fayt bereitwillig Auskunft.
„Zoe, jetzt sag mir bitte, daß das nicht wahr ist!“ stöhnte Liselle und sah ihre Freundin beschwörend an.
„Ich fürchte doch,“ gab Zoe kleinlaut zu.
„Könnte mir mal einer erklären, was hier los ist?“ verlangte Elrond.
„Max von Hochstetten war der Begleiter von Zoe auf dem Ball,“ gab Liselle resigniert von sich. Ihr Plan, daß Zoe Max um den Finger wickelte und so daß Problem des Landes, um das sich die beiden Familien stritten, mit weiblichem Charme aus der Welt zu schaffen, war soeben eines unrühmlichen Todes gestorben.
„Sehe ich das jetzt richtig? Sie,“ Elrond deutete auf Zoe, „hatte was mit diesem Hochstetten und er,“ die Hand wanderte zu Fayt, „hat ihm dafür den Kiefer gebrochen?“
„Ja, das siehst du wohl richtig,“ stimmte Liselle brummig zu.
„Damit ist ja alles klar! Dieser Hochstetten hat dann wohl seine Männer beauftragt, Fayt eine Lektion zu erteilen!“ Elrond donnerte die Faust auf den Tisch. „Worauf warten wir noch?“
„Das läßt sich leider nicht beweisen,“ warf Liselle ein.
„Das ist ja wohl offensichtlich! Laß uns diesem Hochstetten auch noch die restlichen Knochen brechen!“ sagte Elrond und die Wut war ihm deutlich anzumerken.
„Das werdet ihr beide nicht tun!“ Liselle schaute die beiden entschlossen an.
„Warum nicht? Es ist doch sonnenklar, daß der Typ hinter dem feigen Anschlag auf Fayt und Andra steckt,“ Elrond war kurz davor, zu explodieren.
„Weil du das nicht beweisen kannst!“ gab Liselle in merklich schärferem Tonfall zurück.
„Das ist mir doch egal!“
„Mir aber nicht. Wenn ihr zwei da hingeht und ihn zusammen schlagt, dann kann er euch dafür in den Kerker bringen. Ihr begebt euch auf sein Land wo er die Rechtsprechung inne hat und sein Wort Gesetz ist. Also werdet ihr das schön bleiben lassen,“ erklärte Liselle mit eisiger Stimme.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ mit diesen Worten stürmte Elrond aus dem Raum und auf ein Kopfnicken Liselles hin folgte ihm Fayt. Von oben war lautes Gebrüll zu hören.
„Damit hat sich dann mein Plan auch erledigt,“ sagte Liselle zu Zoe gewandt. „Und jetzt entschuldige mich bitte, ich werde einen Boten zu den Hochstettens schicken.“

Als sie eine Viertelstunde später in Elronds Zimmer kam hatte sich dieser immer noch nicht beruhigt. Er ging auf und ab und schimpfte laut seine Wut heraus. Liselle ließ ihn schimpfen, sie wußte, daß er Recht hatte. Doch ihr waren die Hände gebunden, jetzt Max zusammen zu schlagen war das Dümmste, was sie tun konnten.
„Beruhigst du dich jetzt allmählich?“ fragte sie Elrond ruhig nach einer geraumen Weile.
„Nein, mit Sicherheit nicht!“ schnaubte dieser. Liselle trat ihm in den Weg.
„Hör zu, ich kann dich verstehen. Ich sehe das genauso wie du, aber ohne Beweise kann ich dagegen nicht vorgehen. Mein Vater hat mir die Verantwortung in die Hände gelegt und solange ich keine stichhaltigen Beweise habe, bleibt uns nichts anderes übrig als mit Max zu reden. Er kann gut von mir verlangen, Fayt zur Rechenschaft zu ziehen, weißt du?“ sprach Liselle beruhigend auf den wütenden Elrond ein.
„Aber, aber ... das ist so feige,“ wütete Elrond weiter. Kurzerhand nahm Liselle sein Gesicht in ihre Hände und küßte ihn sanft.
„Ist jetzt gut?“ fragte sie ihren Liebsten, dem man deutlich ansah, daß ihm der Wind aus den Segeln genommen worden war.
„Nun, hmm. Aber wir müssen doch etwas machen!“ Elrond redete sich erneut in Rage und Liselle küßte ihn zum zweiten Mal. Mit einer Hand winkte sie Fayt aus dem Raum, er konnte hier ohnehin nichts mehr ausrichten. Sanft lenkte Liselle Elronds Wut in ganz andere Bahnen.