Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Sonntag, Mai 15, 2005

Drittes Abenteuer - Kapitel IV (1)

(erster Teil)
29 n. Hal - 1. Tag im Monat des Peraine

Muffiger Kellergeruch stieg Liselle in die Nase als sie ihr Bewußtsein wiederfand. Ihre Augen waren verbunden und ihre Hände sowie Füße an einen Stuhl gefesselt. Sie ließ sich nicht anmerken, daß sie wach war und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was sie hörte. Von oben klangen gedämpft die Geräusche von Tieren, die sich ab und zu bewegten oder schnaubten. Sie schloß daraus, daß sie sich unter einer Scheune befinden mußte. Von Zoe hörte sie nichts und auch wenn sie ihr Gehör noch so sehr anstrengte, sie konnte nichts hören. Und wenn sie etwas vernahm, dann war sie sich nicht sicher, ob ihre überreizten Nerven ihr nicht einen Streich spielten. Da erklang plötzlich das Geräusch von Wasser, das offensichtlich über jemandem ausgeschüttet wurde. Einen Moment später bekam sie ebenfalls eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet. So zu tun, als wäre sie immer noch bewußtlos war jetzt sinnlos.
„Meine Schminke! Meine Haare!“ kreischte Zoe neben ihr. Amüsiertes Lachen war zu hören, offensichtlich von zwei Männern.
„Wieder aufgewacht, die Ladies?“ erklang eine fast sanfte Männerstimme.
„Was soll das? Würdet Ihr mich jetzt bitte wieder losbinden!“ verlangte Zoe gebieterisch. Ihre Aufforderung wurde mit schallendem Gelächter belohnt.
„Hast du das gehört? Losgebunden will sie werden,“ der andere klopfte sich auf die Schenkel.
„Was hat das Ganze zu bedeuten?“ fragte Liselle laut in das Gelächter hinein.
„Euer Vater ist ein bißchen zu sehr bedacht, seinen Willen zu bekommen, wie es scheint,“ erklärte die erste Stimme wieder. „Wenn er bis heute Abend einlenkt, dann wird Euch nichts geschehen. Bleibt er stur, dann haben wir leider keine andere Wahl als Eurem Leben ein Ende zu setzen.“
„Und Ihr werdet hier schön sitzen bleiben, keine Dummheiten machen und außer Wasser wird es nichts geben. Wenn Ihr den Drang verspürt, daß Ihr mal austreten müßt, dann habt Ihr Pech gehabt, Ihr werdet da sitzen bleiben,“ fügte der zweite hinzu. Dann hörte Liselle Schritte auf einer Treppe, das Knarren einer Falltür und dann war es wieder ruhig.

„Verdammt, das hat Max also mit seinem Treffen bezweckt. Ein Alibi, damit man ihn nicht mit unserer Entführung in Verbindung bringen kann. Und niemand kann ihm beweisen, daß er damit etwas zu tun hatte,“ fluchte Liselle innerlich. Mittlerweile war ihr klar geworden, daß sie mit diesem Treffen sehr geschickt aufs Kreuz gelegt worden war. Während sie ihren Gedanken nachhing, in denen ein gewisser Jemand ziemlich zu leiden hatte, versuchte sie zu hören, ob der zweite Entführer ebenfalls den Raum verlassen hatte oder ob er noch da war.
„Dämliches Viehzeug da oben, könnt ihr nicht mal still sein?“ ärgerte sich Liselle für sich. Sie konnte einfach nicht hören, ob da noch jemand außer Zoe und ihr im Raum war.
„Irgendwie muß ich doch die Fesseln loswerden können,“ überlegte sie und bewegte probeweise ihre Hände. Doch die Seile waren fest und würden sich nicht einfach mal eben zerreißen lassen. Während sie fieberhaft überlegte, was sie jetzt tun könnte wurden die Tiere oben lauter und unruhig, offensichtlich dämmerte der Morgen und sie wollten gefüttert werden. Jetzt konnte Liselle erst recht nichts mehr hören, das ihr verraten konnte, ob der zweite Entführer noch im Raum war. Sie begann zu husten und verlangte nach Wasser doch nichts geschah. Sie spielte noch eine Weile ihren Hustenanfall vor, doch da nichts geschah, so sehr sie sich auch bemühte, ließ sie ihn irgendwann wieder abklingen.

Eine gefühlte Ewigkeit war vergangen, in der Liselle zwischen der Angst, was wohl passieren würde wenn der Tag sich dem Ende neigte, und der Wut, daß man sie entführt hatte und sie es nicht einmal würde beweisen können, schwankte. Da kam ihr eine Idee. Sie versuchte, den Saum ihres Ärmels zwischen die Finger zu bekommen, doch immer wieder griffen ihre Finger ins Leere. Unzählige Versuche später bekam sie ihn endlich zu fassen. Vorsichtig prüfte sie die Kante des metallenen Knopfes.
„Hmm, könnte klappen. Absolut nicht vergleichbar mit einer Klinge, aber besser als gar nichts,“ dachte sie und begann, mit der etwas rauhen Kante des Knopfes mühsam die Seile zu bearbeiten. Immer wieder stemmte sie sich vorsichtig gegen die Seile, doch die hielten. Verbissen setzte sie ihre Bemühungen fort und ignorierte die Schmerzen, welche die ungewohnte Tätigkeit und die festen Fesseln ihr verursachten.

Liselle konnte nicht sagen, wieviel Zeit vergangen war als sie endlich merkte, daß sich ihre Fesseln zu lockern begannen.
„Es kann nicht mehr lange dauern, bis ich durch bin!“ sie verdoppelte ihre Anstrengung.
„Sehr beeindruckend,“ ertönte die sanfte Stimme in genau jenem Augenblick als Liselle gerade ihre Fesseln durch hatte. Sie hörte einen lauten Pfiff.
„Und nun seid wieder ein braves Mädchen. Ich werde Euch jetzt meinen Dolch an die Kehle halten und die Fesseln erneuern. Werdet Ihr auch keinen Blödsinn machen?“
„In Ordnung, ich werde ruhig hier sitzenbleiben,“ versprach Liselle haßerfüllt, da spürte sie auch schon den kalten Stahl einer Klinge an ihrem Hals. Das Klappern der Falltüre verriet ihr, daß der zweite Entführer auf den Pfiff hin zurück gekehrt war.
„Unser cleveres Vögelchen hier wollte gerade davon flattern,“ der Entführer klang amüsiert. „Bind sie wieder fest.“
Liselles Fessel wurde erneuert und ihr wurden die Knöpfe abgenommen. Dann klappte wieder die Falltür und die Stille hüllte die Mädchen wieder ein. Eine unerträgliche Stille, die Liselles Angst und Wut neue Nahrung gab.