Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Mittwoch, Mai 18, 2005

Drittes Abenteuer - Kapitel VI

29 n. Hal - 3. Tag im Monat des Peraine

"Haben wir alles?" rief Zoe hektisch zu Liselle und wühlte noch einmal durch die Tasche, die sie mitnehmen wollte ob sie auch ja nichts vergessen hätte.
"Selbst wenn du etwas vergessen hast, im Palais wird sich schon Ersatz dafür finden. Wir werden doch auch nur eine Nacht da sein, also alles halb so wild," beruhigte Liselle ihre Freundin.
Eigentlich hätte die Kutsche schon vor einer halben Stunde den Hof verlassen sollen, doch irgendwie fehlte dem ein oder anderen etwas, jemand hatte etwas vergessen oder man mußte noch einmal dies oder jenes holen. Zudem hatte Liselle lange geschlafen, Andra hatte ihr einen Schlaftrunk angeboten da Elrond die halbe Nacht in der Schmiede herum gehämmert hatte. Endlich waren alle in der Kutsche verstaut, Andra saß neben dem Kutscher und baumelte mit den Beinen und der Zweispänner konnte vom Hof rollen in Richtung Gareth.

Sie kamen noch rechtzeitig an und hatten sogar noch Zeit, sich frisch zu machen. Liselle ging hoch in ihr Zimmer und holte frische Wäsche, Elrond ging hinter ihr her.
"Was machst du?" wollte er wissen und küßte sie sanft auf den Nacken, er hatte schnell herausgefunden, daß Liselle dort empfindlich war.
"Ich geh baden und du kommst mit," entgegnete Liselle.
"Das geht doch nicht. Im Haus deines Vaters, was soll denn deine Familie denken?" fragte er entrüstet.
"Stell dich nicht so an, meine Eltern wissen ohnehin wie es aussieht," keine weitere Widerrede duldend zog Liselle ihn mit in die Baderäume des Hauses. Gerade als die beiden durch die Tür zum Baderaum verschwanden, hörte Liselle ein ihr bekanntes Lachen. Heral hatte die beiden verschwinden sehen und die richtigen Schlüsse daraus gezogen.
"Heral hat uns gesehen," teilte sie Elrond mit und grinste als sie sein erschrockenes Gesicht sah.

Die beiden hatten sich Zeit gelassen im Baderaum und so war es auch nicht weiter verwunderlich, daß sie zu spät zum Essen erschienen. Die ganze Familie war schon im Speisezimmer versammelt als Liselle eintrat, Elronds Hand provokativ in ihrer. Ihre Eltern, Heral und seine Verlobte Neaira lächelten vielsagend, lediglich Lionel und seine Frau schauten die beiden mißbilligend an. Liselle schaute die beiden konservativsten Familienmitglieder mit einer hochgezogenen Augenbraue an als ob sie sagen wollte "Ja, habt ihr was?".
"Was sich liebt, das neckt sich," murmelte Heral in die Stille hinein während Elrond seiner Liebsten den Stuhl zurecht rückte damit sie sich setzen konnte. Lionel schluckte und seine Frau bekam den Mund nicht mehr zu, was Liselle mit einem anzüglichen Grinsen kommentierte.
"Ich habe Euch etwas mitzuteilen," verkündete der Baron nachdem man das vorzügliche Mahl beendet hatte. "Nachdem dieser bemerkenswerte junge Mann hier unsere Liselle aus den Klauen der von Hochstettens befreit hat und sich die beiden anscheinend näher gekommen sind, habt ihr beide den Segen deiner Mutter und mir."
Liselle schaute ihren Vater überrascht an, doch das sollte noch nicht alles gewesen sein.
"Ich muß hier ja nicht noch einmal die Ereignisse nach dem Ball wiederholen, wir wissen alle, was passiert ist," fuhr der Baron fort. "Und damit hier die Wogen nicht erneut wieder hochschlagen oder du wieder entführt wirst um mich unter Druck zu setzen, habe ich entschlossen, dich in die Welt hinaus zu schicken und gebe dich unter die Fittiche von Andra."
Liselle starrte ihren Vater mit offenem Mund an, sie wollte ihren Ohren nicht trauen. Ihr Vater schickte sie tatsächlich in die Welt hinaus? Sie versuchte immer noch, ihre Gedanken wieder in Reih und Glied zu bekommen als auch schon die Familie auf beide zutrat und sie beglückwünschten. Lionel ließ es sich natürlich nicht nehmen, den beiden seinen Segen zu erteilen, was typisch für ihn halbe Ewigkeiten in Anspruch nahm. Auch seine Frau konnte es sich nicht verkneifen, Liselle über die Pflichten einer guten Ehefrau aufzuklären. Während sie noch damit beschäftigt war nach einer guten Ausrede zu suchen, wie sie diesen Monolog höflich beenden konnte, zog Andra Elrond nach draußen.

„Nurti möchte dir auch noch was sagen,“ erklärte Andra mit einem schelmischen Grinsen als die beiden zurück kehrten. Elrond schaute gar nicht begeistert drein. Liselle sah aus den Augenwinkeln, wie die Zwergin sich leicht hinter ihrem Stuhl versteckte.
„Nun ja, eigentlich wollte ich dir etwas geben,“ sagte Elrond verlegen und mit einem vorwurfsvollen Seitenblick auf die Zwergin fügte er hinzu: „Wenn wir beide unter uns sind. Aber da ich jetzt ja mehr oder weniger dazu genötigt werde, ich habe ein Geschenk für dich.“
Elrond legte Liselle einen langen Gegenstand in die Hände, der in ein Tuch eingeschlagen war. Vorsichtig legte Liselle ihn auf den Tisch und schlug das Tuch beiseite. Was sie erblickte, verschlug ihr den Atem und auch ihre Brüder, beide im Kampf geschult, ließen ein anerkennendes „Oh“ hören. Vor ihr auf dem Tisch lag ein Wolfsmesser, eine Art elfischer Rapier, wunderschön verziert und ein wahres Meisterwerk der Schmiedekunst.
„Der ist unbezahlbar,“ hörte sie Heral ehrfurchtsvoll flüstern. Er hatte seiner Schwester beigebracht mit dem Rapier zu kämpfen und er kannte sich gut mit Waffen aus.
„Der ist wunderschön,“ hauchte Liselle, sie widerstand gerade eben noch dem Drang, mit dem Finger bewundernd über die dreifache Klinge zu fahren. „Ich bringe ihn nach oben.“
„Warte, ich komme mit. Ich muß dir noch eine Besonderheit der Klinge zeigen,“ sagte Elrond.
Liselle schlug die Waffe, zu der auch eine sehr gut gearbeitete Scheide gehörte, wieder in das Tuch ein und trug sie in ihr Zimmer.
„Komm mit und bring das Wolfsmesser mit,“ forderte Elrond sie auf und ging auf den Balkon. Liselle tat, um was er gebeten hatte. Als sie die Klinge dem Sternenlicht aussetzte, begann diese zu funkeln und auf der Klinge erschienen fremdartige Schriftzeichen.
„Oh, wie wunderschön,“ sagte Liselle leise. „Was heißt das denn und welche Sprache ist das?“
„Das ist Isdira und das hier ist der Name der Klinge, sie heißt Nachtdorn. Auf der Seite steht „Schutzgeister, seid auch meiner Geliebten treu“ und auf der letzten Seite steht „Für Velvet in Liebe von Nurti“. Immer, wenn du die Klinge im Sternenlicht betrachtest, werden diese Zeichen sichtbar,“ erklärte Elrond.
„Du hast meinen Spitznamen genommen?“ fragte Liselle gerührt, schmiegte sich in seine Arme und küßte ihn.

„Sag mal, mein Freund, wie hat sich das eigentlich angefühlt, als Ihr diesem Hochstetten den Kiefer gebrochen habt,“ hörten die beiden den Baron unten im Garten sagen als sie sich immer noch küßten. Liselle legte Elrond einen Finger auf die Lippen und zog ihn zur Brüstung um zu lauschen.
„Sehr gut, ich fand das Knirschen als meine Faust seinen Kiefer getroffen hat, sehr befriedigend,“ erklärte Fayt trocken.
„Ach, ich wünschte, ich wäre dabei gewesen. Ich möchte diesem Hochstetten noch sehr viel mehr brechen als nur seinen Kiefer,“ seufzte der Baron. „Doch jetzt etwas anderes, mir ist aufgefallen, daß Ihr anscheinend sehr angetan von Zoe seid.“
„Hmm, vielleicht. Ich weiß es nicht so genau und ich verstehe die Frauen auch nicht,“ sagte Fayt schüchtern.
„Welcher Mann kann schon von sich behaupten, die Frauen zu verstehen?“ lachte der Baron. „Wenn Ihr das Herz der schönen Zoe gewinnen wollt, dann macht ihr Geschenke. Das ist nie falsch. Findet heraus, was sie mag. Blumen, Naschwerk, Schmuck oder vielleicht auch Bücher, damit werdet Ihr sicherlich ihr Herz gewinnen können,“ empfahl der Baron Fayt.
„Meint Ihr wirklich?“
„Sicher, wenn ich bei meiner Frau mal wieder, nun ja, sagen in Ungnade gefallen bin, dann schaffe ich es damit meist immer, ihren Unmut ins Gegenteil zu verkehren,“ als Liselle ihren Vater dies sagen hörte, grinste sie.
„Komm nicht auf die Idee, daß das bei mir auch funktioniert,“ wisperte sie Elrond ins Ohr.
„Ich werde es mal versuchen,“ hörten die beiden Fayt sagen, dann ging er mit dem Baron wieder hinein.
„Warum denn nicht?“ wollte Elrond wissen.
„Es funktioniert einfach nicht, also laß es lieber bleiben.“
„Womit stimmt man dich denn dann gnädig?“
„Wie wäre es damit?“ fragte Liselle frech und küßte ihn.
"Ja, Ihr mögt ihn doch oder etwa nicht?" hörten sie die Stimme des Baron erneut. Liselle grinste wieder und die beiden verharrten weiterhin leise an der Balkonbrüstung und lauschten, wie der Baron Ratschläge verteilte, diesmal an Zoe. Er versuchte, sie zu überzeugen, daß Fayt zwar schwer zu verstehen aber doch ein herzensguter Kerl zu sein schien. Liselle unterdrückte mühsam ein Kichern, doch als die beiden wieder im Haus verschwunden waren, konnte sie nicht anders als herzhaft zu lachen. Das Bemühen ihres Vaters war einfach zu komisch und auch irgendwie rührend. Elrond grinste ebenfalls bis über beide Ohren, zog sie zurück in ihr Zimmer und fuhr ihr sanft über die bloßen Schultern. Sie trug heute das Kleid, in welchem ihr Vater sie so gern gesehen hätte an jenem Abend nach dem Ball und das ihre Vorzüge hervorragend betonte.
"Tst, tst, nicht jetzt. Wir müssen wieder runter," wehrte Liselle sich lachend. Da klopfte es und noch bevor sie etwas sagen oder tun konnte, ging die Tür auf, Andra schob sich ins Zimmer und kippte dann der Länge nach wie ein gefällter Baum vor Elronds und Liselles Füße. Die beiden schauten sich an und Liselle zuckte mit den Schultern als sie auch schon ein Poltern im Flur hörten. Neugierig ging Liselle nachschauen und fand Heral, der ebenfalls der Länge nach auf dem Boden des Flurs lag.
"Isch war nisch ersser, schie wars," murmelte er noch, dann verdrehte er die Augen und sackte endgültig zusammen. Der Lärm rief Neaira auf den Plan und als sie den betrunkenen Heral auf dem Boden liegen sah, verdrehte sie genervt die Augen.
"Der da kommt mir nicht ins Zimmer, der riecht ja wie ein ganzes Bierfaß!" rief sie und rümpfte die Nase.
"Ich hab eine bessere Idee. Wir lassen die beiden gemeinsam im Stall ihren Rausch ausschlafen," schlug Liselle vor und der Schalk blitzte ihr aus den Augen.
"Das ist in der Tat eine gute Idee," auch Neaira lachte. So riefen sie also James und ließen die beiden in den Stall bringen, legten sie aneinander gekuschelt ins Stroh und verschwanden kichernd wieder.