Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Donnerstag, Mai 19, 2005

Drittes Abenteuer - Kapitel VII

29 n. Hal - 4. Tag im Monat des Peraine

Andra fiel einfach ins Stroh und fing augenblicklich an zu schnarchen. Wenigstens hatte sie endlich Liselles Hand losgelassen, die sie eine halbe Stunde fest im Griff gehabt und Liselle daran durch die halbe Stadt gezerrt hatte. Elrond hatte währenddessen den betrunkenen Heral nach Hause getragen. Unterwegs hatte die Zwergin und ihre Begleiterin wider Willen die beiden irgendwie verloren.
Denn als sie nach dem Frühstück von Neaira erfahren hatten, daß Heral und Andra ihre Zechtour fortgesetzt hatten und direkt nach dem Aufstehen verschwunden waren, wurden Elrond und Liselle gebeten, ob sie Heral nicht suchen gehen könnten. So waren die beiden dann erst zu Herals Wache gegangen, um von dort aus in die Kneipe geschickt zu werden, in der man die beiden vermutete. Dort waren Liselle und Elrond auch fündig geworden. Gerade in dem Augenblick, als die beide die etwas herunter gekommene Taverne betreten hatten, wurden sie Zeuge, wie Heral mit dem Kopf auf den Tresen knallte. Kurzerhand hatte Elrond sich Schnapsleiche über die Schulter geworfen und war mit Liselle und Andra losgestiefelt. Sie waren bis zur nächsten Kneipe gekommen da hatte die Zwergin Liselle mit eisenhartem Griff an der Hand gepackt, sie in die Kneipe gezerrt, ein Bier bestellt und in einem Rutsch ausgetrunken bevor sie dann aus der Kneipe gestürmt war. Die ganze Zeit hatte die Zwergin ihre Hand nicht losgelassen sondern sie wie ein kleines Kind hinter sich hergezerrt. Außer auf "da vorne links" und "gleich rechts" hatte Andra auf das Protestgeschrei von Liselle nicht reagiert. Sie hatte die Zwergin vorsichtshalber durch Straßen und Gassen dirigiert, in denen keine Tavernen lagen.
"Zwerge, was soll man davon auch halten," dachte Liselle und betrachtete Andra noch einmal. Dann ging sie durch die Küche in die Halle und bekam gerade noch mit, wie Neaira an ihr vorbei stürmte, James zur Seite schubste und eine Schimpfkanonade auf Heral losließ, was diesen trotzdem nicht aus seinem Zustand aufweckte. Elrond stand ungerührt mit dem Stein des Anstoßes über der Schulter in der Tür und ließ Neaira schimpfen.
"Wo soll ich ihn denn hinbringen," fragte er höflich und Neaira wies ihn an, ihn nach oben zu bringen.
"Viel Spaß dabei, ihm die Leviten zu lesen wenn er wieder aufwacht," Liselle grinste Neaira frech an.
"Werde ich haben," grollte Neaira und ging hinter Elrond die Treppe hoch.
„Beeil dich, wir wollen heute noch ein wenig durch Gareth spazieren,“ rief Liselle Elrond noch hinterher.

Liselle und Elrond kamen bei Einbruch der Dämmerung zurück ins Palais. Sie hatten sich den restlichen Tag mit Besichtigungen vertrieben und Liselle hatte ihren Liebsten mitgenommen in die Stadt des Lichts. Sie waren durch das Rittertor hinein gelangt und Liselle hatte Elronds Staunen sichtlich gefallen. Die Stadt des Lichts war etwas Einzigartiges, nicht umsonst hieß es, daß diese architektonische Meisterleistung nur unter Mitwirkung der Götter möglich gewesen sei. Besonders die Darstellung der beiden Greifen, die an jedem der drei Tore zu finden sind, mochte Liselle. Es waren zwei und der eine zerriß einen Dämon in seinen Krallen wohingegen der andere Besucher freundlich anblickte. In die Pranken der Greifen darf jeder Bürger Bittschriften legen, die regelmäßig eingesammelt und mittels Brenngläsern entzündet und verbrannt werden, damit die niedergeschriebenen Wünsche mit dem Rauch gen Alveran getragen werden. Ein schönes Ritual wie Liselle fand und sie hatte schon einige Male dort eine Bittschrift abgelegt.
„Wie war dein Tag, Neaira?“ fragte Liselle ihre zukünftige Schwägerin als sie zusammen mit Elrond die Halle des Palais betrat.
„Er hätte besser sein können,“ nörgelte Neaira. „Irgendwie hat Heral es geschafft, ohne Kopfschmerzen aus seiner Trunkenheit aufzuwachen. Das hat der ganzen Zeterei und dem Donnerwetter seinen Reiz genommen.“
„Ich gehe schon einmal nach oben,“ entschuldigte sich Elrond.
„In Ordnung, ich komme gleich nach,“ und zu Neaira gewandt sagte sie: „Wie hat er das denn geschafft? Bei der Menge Alkohol, die er vernichtet haben muß, hätte er doch eigentlich für die nächsten drei Tage Kopfschmerzen haben müssen.“
„Ich habe keine Ahnung, aber da ist etwas faul. Das kann ich förmlich riechen.“
„Und ich glaube, ich weiß auch was da faul ist. Wahrscheinlich hat Andra ihm etwas gegen die Auswirkungen von zuviel Alkohol gegeben.“
„Das soll sie mal nicht wagen. Wer trinkt, soll danach auch leiden. Was anderes wollen wir gar nicht erst einführen,“ schimpfte Neaira. „Und jetzt entschuldige mich, ich werde mich wohl mal mit dieser Zwergin unterhalten.
Liselle schaute der Zukünftigen ihres Bruders hinter her und schmunzelte. Denn daß Neairas Bemühungen, etwas herauszufinden, von Erfolg gekrönt sein würden bezweifelte Liselle.

„Nicht schon wieder so ein ... Ding! Und diesmal im Haus meines Vaters,“ rief Liselle entsetzt aus als sie Elronds Zimmer betrat und diesen wieder einmal dabei überraschte, daß ihm ein Elementar einen Brief übergab.
„Nun, meine Familie schickt mir auf diese Weise nun mal Briefe,“ Elrond zuckte entschuldigend mit den Achseln. „Was soll ich machen?“
„Schön, daß deine Familie so eine schnelle Art der Zustellung von Post hat, mir jagen diese Dinger trotzdem jedesmal Schauer über den Rücken,“ sie schüttelte sich, da sie immer noch Patras Verletzung am Handgelenk vor Augen hatte, die von einem solchen Elementar stammte.
„Du brauchst davor keine Angst zu haben. Und es sind keine Dinger, sondern Elementare,“ belehrte Elrond sie.
„Mir egal, was das ist. Aber da deine Familie auf diesem Wege mit dir in Kontakt bleibt, was schreiben sie eigentlich?“ neugierig schielte Liselle auf den Brief den Elrond in seinen Händen hielt.
„Meine kleine Schwester ist jetzt nicht nur schwanger, sondern sie wird auch heiraten. Den genauen Termin weiß ich noch nicht, den krieg ich dann mitgeteilt.“
„Wahrscheinlich auch wieder durch eines dieser Elementare,“ sie betonte das Wort spöttisch.
„Würdest du mit mir zu der Hochzeit nach Thorwal reisen?“
„Habe ich eine andere Wahl? Da mein Vater mich ja so großzügig in die Obhut deiner zwergischen Freundin gegeben hat, wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben als dahin zu ziehen wo ihr beide hingeht,“ Liselle lächelte verschmitzt.
„Das dürftest du richtig sehen,“ Elrond erwiderte ihr Lächeln, zog sie auf seinen Schoß und küßte sie auf den Hals. „Was hältst du davon, Zoe und Fayt zu fragen, ob sie nicht mitkommen wollen?“
„Hmm,“ murmelte Liselle. „Keine schlechte Idee, nur mit Andra und dir unterwegs zu sein würde mich ganz schnell in den Wahnsinn treiben.“
„Dann laß uns runter gehen zum Abendessen und die beiden fragen,“ Elrond stand unvermittelt auf, so daß Liselle von seinem Schoß rutschte. Dennoch fing er sie galant auf. „Na, so unnütz bin ich wohl auch nicht.“

Die fünf zukünftigen Reisegefährten saßen zusammen beim Abendessen und Elrond verkündete die guten Neuigkeiten von der bevorstehenden Heirat seiner kleinen Schwester.
„Fayt, was hast du jetzt eigentlich vor?“ fragte Liselle ganz unverblümt.
„Nun ja, ich weiß nicht so recht. Vermutlich dahin gehen, wo auch Nurti hingeht. Schließlich sind wir ja so ein wenig Freunde geworden und zusammen reisen könnte ganz angenehm sein,“ verlegen schaute Fayt Zoe an während er seine Pläne darlegte.
„Und du Zoe, was hast du jetzt vor?“ wandte sich Liselle an ihr nächstes Opfer.
„Um ehrlich zu sein, darüber habe ich mir bis jetzt keine großartigen Gedanken gemacht.“
„Wie wäre es denn, wenn ihr beide Andra, ihn,“ sie deutete auf Elrond, „ und mich nach Thorwal begleitet?“ Liselle schaute auffordernd von Fayt zu Zoe.
„Hmm, ich bin dabei,“ brummte Fayt.
„Doch, ich auch. Reisen und Abenteuer, das klingt allemal spannend,“ fügte Zoe hinzu.
„Abgemacht, dann reisen wir also nach Thorwal!“ rief Liselle aus. „Wann wollen wir denn überhaupt los?“
„Nun, wie wäre es mit übermorgen? Dann haben wir morgen noch den ganzen Tag Zeit, die nötigen Besorgungen zu machen. Ihr beiden Mädels braucht noch einiges bevor wir mit euch auf Wanderschaft gehen können,“ schlug Elrond vor.
„Oh, Einkaufen?“ fragte Zoe mit verzücktem Gesichtsausdruck.
„Wenn du die nötigen Sachen nicht hast, dann werden wir sie wohl kaufen müssen,“ Elrond hatte Liselles warnendes Zwinkern offensichtlich nicht verstanden.
„Einkaufen, das wird ein Spaß werden! Ich liebe einkaufen! Und ich brauche unbedingt noch ein paar neue Sandalen. Und Parfum. Schminke darf ich auch nicht vergessen,“ Zoes Gesichtsausdruck sprach Bände und mittlerweile hatte Elrond wohl auch verstanden, was Zoe unter Einkaufen verstand. Er warf Liselle einen gequälten Blick zu.
„Ja, genau Zoe. Wir gehen einkaufen,“ Liselles Augen funkelten schelmisch. Sie konnte sich regelrecht vorstellen, wie ihre Freundin morgen alle an den Rand eines Nerven-zusammenbruchs treiben würde. Immerhin war sie schon einmal mit Zoe einkaufen gewesen und sie verfügte über genug Kombinationsgabe um zu wissen, daß dies kein normaler Einkaufsbummel werden würde, wie Zoe wohl meinte.
„Das wird lustig werden,“ dachte sie amüsiert.