Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Freitag, Mai 20, 2005

Viertes Abenteuer - Kapitel I (1)

(erster Teil)
29 n. Hal - 5. Tag im Monat des Peraine

„Dafür bekommst du schließlich jeden Monat eine bestimmte Summe von deiner Mutter und mir,“ erklärte der Baron seiner Tochter. „Was hast du denn mit dem ganzen Geld schon wieder gemacht?“
„Ausgegeben?“ Liselle wich dem mißbilligenden Blick ihres Vaters aus. Sie hatte ihn darauf angesprochen, wie er sich das vorgestellt hatte, seine Tochter auf Reisen zu schicken. Schließlich mußte sie ja von etwas leben und die nötige Ausrüstung kostete bestimmt auch nicht gerade wenig.
„Ja, da kann ich dir nun auch nicht helfen. Es wird schließlich Zeit, daß du lernst, auf eigenen Beinen zu stehen,“ meinte der Baron und schaute seine grollende Tochter fest an.
„Gut, dann eben nicht,“ meinte Liselle beleidigt und stiefelte aus dem Zimmer. Das Lächeln, daß die Züge ihres Vaters umspielte, sah sie schon nicht mehr.
„Das hat ja wohl mal gar nichts gebracht,“ murmelte Liselle vor sich hin als sie im Flur fast Elrond umrannte.
„Was hast du denn?“ erkundigte der sich besorgt.
„Geh weg von mir!“ fauchte Liselle.
„Ist ja schon gut, ich komme in einer Stunde ungefähr wieder und dann können wir losgehen,“ sagte er beschwichtigend bevor Liselles wütend funkelnde Augen ihn zur Eile antrieben. „Andra wollte mit mir sprechen. Ich glaube, sie hat eine Reisemöglichkeit für uns aufgetan.“
„Dann geh,“ knurrte Liselle und machte sich auf den Weg in das Zimmer ihrer Mutter.

„Was kann ich für dich tun, Liebes?“ ihre Mutter schaute Liselle freundlich an.
„Nun ja, irgendwie geht mir das alles zu schnell,“ maulte Liselle. „Vor nicht mal einem Monat wäre ich fast verlobt worden, auf dem Landgut bin ich entführt worden und jetzt soll ich reisen um nicht mehr in der Schußlinie zu stehen.“
„Aber hast du dir nicht immer gewünscht, Gareth zu verlassen und Aventurien zu erkunden?“ fragte ihre Mutter sanft.
„Schon, aber ... ach, ich weiß auch nicht,“ Liselle seufzte hörbar.
„Jetzt sag mir schon, was du auf dem Herzen hast.“
„Hmm, ich brauch ein bißchen Geld,“ gab Liselle zögerlich zu.
„Was ist denn mit deinem Geld für den Monat?“
„Ausgegeben. Da wußte ich ja auch noch nicht, daß mein Vater vorhat mich mit leeren Taschen aus dem Haus zu werfen.“
„Niemand wirft dich aus dem Haus. Warte einen Moment,“ die Baronin begann, in einer der Schubladen ihres Sekretärs zu suchen. „Hier meine Liebe, sind drei Dukaten.“
„Danke Mama, dann habe ich wenigstens einen kleinen Notgroschen, man weiß ja nie was passiert,“ Liselle strahlte ihre Mutter an.
„Gut, gut, hier sind noch mal zwei Dukaten! Bewahr sie gut auf und nutz sie nur in Notfällen,“ die Baronin händigte ihrer Tochter weitere Münzen aus. Liselle steckte die Münzen in ihre Hosentasche, umarmte ihre Mutter noch einmal und ging dann in ihr Zimmer, wo sie begann, die Schubladen ihrer Kommoden und Schränkchen zu durch wühlen.
„Was machst du denn da?“ hörte sie Elronds Stimme. „Hat dieses wilde Sachen durchs Zimmer werfen einen höheren Sinn?“
„Ich suche etwas,“ murmelte Liselle und legte einen weiteren Ring auf den kleinen Stapel mit Schmucksachen, die sie im Laufe der Zeit von Verehrern geschenkt bekommen hatte.
„Ich wollte dich abholen, damit wir die benötigten Sachen noch besorgen können,“ meinte er und betrachtete amüsiert das Chaos, welches Liselle mittlerweile veranstaltet hatte. „Ach ja, bevor ich es vergesse, Andra hat in der Tat eine Reisemöglichkeit gefunden. Wir werden bis Angbar mit einer Handelskarawane reisen und morgen früh um sechs geht es los.“
„Wie bitte? Das ist doch wohl hoffentlich nicht dein Ernst?“ Liselle bot einen unfreiwillig komischen Anblick, wie sie so halb über eine geöffnete Schublade gebeugt da stand und Elrond mit offenem Mund anstarrte. „Das ist mitten in der Nacht, da gehe ich normalerweise zu Bett!“
„Ich fürchte doch, Karawanen pflegen früh aufzubrechen,“ belehrte er sie. „Können wir jetzt endlich in die Stadt gehen?“
„Ja, einen Moment, ich suche doch noch. Und über diese unmögliche Zeit zum Aufstehen haben wir auch noch nicht ...“ doch mitten im Satz wurde Liselle von einem Ruf unterbrochen.
„Nuuurti,“ schallte Andras Stimme durch den Flur, doch Elrond warf die Tür zu und stemmte sich dagegen, damit die Zwergin nicht reinkommen konnte.
„Mach die verdammte Tür auf,“ rief Andra und versuchte von außen, die Türe aufzudrücken.
„Nein, werde ich nicht!“
„Doch, wirst du!“
„Werde ich mit Sicherheit nicht!“
„Jetzt mach doch die verdammte Tür auf! Was soll denn der Unfug?“ schimpfte Liselle während sie die gefundenen Schmuckstücke in einem kleinen Lederbeutel verstaute, den sie an ihrem Gürtel befestigte.
„Ich mach die Türe nicht auf!“ Elrond blieb stur.
„Wir gehen einkaufen,“ tönte jetzt auch Zoes Stimme durch die Tür.
„Gut, wir machen die Türe nicht auf!“ jetzt stemmte auch Liselle sich gegen das einzige Hindernis, daß sie von der Zwergin und ihrer unausweichlichen Bitte trennte.
„Faaayt!“ brüllte Andra jetzt. „Komm mal her!“
„Ja, was ist denn Andra? Kann ich was für dich tun?“ Liselle und Elrond hörten Schritte und warfen sich einen bedauernden Blick zu, der nichts anderes aussagte als „Armer Fayt“.
„Es wäre nett von dir, wenn du mit Zoe einkaufen gehen könntest. Du weißt, was auf Wanderschaft benötigt wird. Kein unnötiger Schnickschnack, verstanden?“ die Zwergin klang entnervt.
„Sicher Andra. Bist du fertig, Zoe?“ erwiderte Fayt gelassen.
„Ja, für Einkaufen bin ich immer fertig,“ sagte Zoe und ihre Stimme klang voller Vorfreude.
„Puh, das war knapp,“ ächzte Elrond, der jetzt von der Tür wegtrat.
„In der Tat. Bist du jetzt endlich fertig so daß wir los gehen können?“ Liselle lächelte schelmisch.
„Ich warte doch nur auf dich.“
Liselle öffnete die Türe und betrat den Flur, doch sie kam keine zwei Schritt weit als es hinter ihr plötzlich polterte und Elrond ihr der Länge nach vor die Füße fiel. Andra stand neben dem Türrahmen und ihr Grinsen verriet Liselle, daß sie dem Halbelfen kurzerhand ein Bein gestellt hatte. Fluchend erhob sich Elrond vom Fußboden, griff nach der Vase auf einem kleinen Beistelltischchen mit geschwungenen Beinen und kippte den Inhalt schwungvoll in Richtung Zwergin aus. Liselle lachte laut als sie sah, wie die Zwergin vor den auf sie zu segelnden Blumen samt Wasser weg hüpfte.
„Ätsch, nicht getroffen,“ Andra grinste bis über beide Ohren.
„Na warte, das gibt Rache,“ versprach Elrond düster.
„Jetzt komm endlich, der Tag wird auch nicht jünger,“ drängelte Liselle zum Aufbruch.

„Du, sag mal, ist Premer Feuer eigentlich teuer?“ wandte Liselle sich an ihren Gefährten.
„Kommt drauf an. Wofür brauchst du ihn denn?“
„Ich habe Heral versprochen, ich bringe ihm aus Thorwal ein Fäßchen davon mit. Dafür hat er mir fünf Dukaten geschenkt. Naja, nachdem ich ihm einen Brief für Neaira geschrieben habe, daß er mir die Münzen tatsächlich gegeben und nicht verspielt oder für Schnaps auf den Kopf gehauen hat,“ erzählte Liselle.
„Wenn es weiter nichts ist, so ein Fäßchen dürfte ich von meinem Vater kriegen wenn wir erst in Thorwal sind. Das kostet uns dann gar nichts.“
„Oh, auch gut. Paß auf, ich habe noch etwas zu erledigen. Hier sind fünfzehn Dukaten, kauf das, was noch fehlt und wir treffen uns nachher wieder im Palais. Ach ja, Stiefel geh ich selber kaufen und ansonsten hab ich alles an Kleidung, was ich brauche. Und was ich nicht habe, kannst du ja besorgen.“
„Was hast du denn noch vor?“ fragte Elrond.
„Nichts wichtiges. Sei nicht so neugierig,“ wiegelte Liselle ab.
„Gut, dann sehen wir uns nachher wieder. Und sag deinem Streuner auf Wiedersehen,“ gab Elrond ihr noch mit auf den Weg.
„Mal schauen,“ murmelte Liselle und ging.

„Na kleine Velvet, du traust dich ganz ohne Drachentöter her?“ Sam schaute sie neugierig an als er ihr die Tür öffnete.
„Ach, jetzt ist es schon ein Drachentöter? Klatsch spricht sich ja schnell rum wie es scheint,“ Liselle lachte den Leibwächter an. „Wo ist denn der Herr des Hauses?“
„Oben, er vergnügt sich,“ entgegnete Sam trocken.
„Sagst du ihm Bescheid? Wenn er fertig ist natürlich.“
„Mach ich. Komm solang mit in die Küche und wir trinken einen Tee zusammen, da kannst du mir dann auch erzählen, was du jetzt vor hast.“
„Als ob ich deinen berühmten Tee ausschlagen würde,“ Liselle ging in die Küche, gefolgt von Sam. Während er den Tee aufbrühte erzählte sie ihm, wie die Entführung wirklich verlaufen war.
„Dieser Max war schon immer ein Mistkerl,“ entrüstete sich Sam.
„In der Tat. Nun, es kamen keine Drachen vor und mein Vater ist der Meinung, es wäre am besten wenn ich die Stadt für eine Weile verlasse damit so etwas nicht noch mal passieren kann. Sam, sie lassen mich reisen,“ faßte Liselle das Ende ihrer Geschichte zusammen und in ihrer Stimme schwang ein Hauch Sehnsucht mit.
„War das nicht immer dein Traum?“ Sam schaute sie ernst an.
„Ja und jetzt wird er wahr, ich frage mich ob ich das nicht alles nur träume und wenn ich morgen wach werde, dann ist wieder alles vorbei.“
„Solange es kein böses Erwachen gibt,“ Sam grinste sie an. „Jetzt entschuldige mich kurz, ich werde Patras Bescheid sagen, daß du hier bist.“