Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Montag, Mai 23, 2005

Viertes Abenteuer - Kapitel II (2)

(zweiter Teil)

Sie mußten nicht lange warten, bis sich die Karawane dann auch in Bewegung setzte. Anfangs fiel Liselle das Laufen noch leicht, doch je länger sie liefen, desto mehr schmerzten sie die Füße und desto schwerer wurde ihr Rucksack. Sie waren vielleicht drei Stunden gelaufen als Andra sie nach vorne zu sich rief.
"Wenn du nachher nicht mehr kannst weil dir die Füße weh tun, dann sag mir Bescheid. Ich hab einen Platz auf einem der Wagen für dich organisiert," flüsterte ihr Andra verschwörerisch zu. "Aber sag Nurti nichts davon."
"Danke, sehr lieb von dir. Und verlaß dich auf mich, ich werde ihm schon nichts davon sagen," flüsterte Liselle auf Rogolan zurück, denn sie hatte aus den Augenwinkeln gesehen, daß Elrond hinter ihr herkam.
"Was habt ihr beide denn da zu flüstern," fragte er mißtrauisch sobald er auf gleicher Höhe war.
"Frauensachen," log Liselle dreist und zwinkerte Andra zu.
"Aha," gab Elrond von sich und beäugte die beiden, die ihn unschuldig angrinsten.
"Und jetzt entschuldige mich bitte," sagte Liselle und ließ sich zu einem hochgewachsenen, kräftigen Mann mit kurz geschnittenem Bart und freundichen blauen Augen zurückfallen.
"Darf ich Euch etwas fragen?" sagte sie ein wenig schüchtern.
"Aber sicher," entgegnete er freundlich.
"Wie lange habt Ihr gebraucht, Euch an das da zu gewöhnen?" Liselle deutete auf sein Kettenhemd.
"Oh, das hat gedauert," er lachte und seine blauen Augen blitzten. "Eure Krötenhaut sieht noch sehr neu aus."
"Das ist sie in der Tat und sie war auch nicht meine Idee," seufzte Liselle und verdrehte die Augen.
"Aber sie wird Euch noch sehr nützlich sein, glaubt mir das. Die Straßen sind nicht immer allzu sicher und Vorsicht ist besser als Nachsicht."
"Da mögt Ihr recht haben. Aber sie ist so schwer und mir ist darunter so fürchterlich warm."
"Ihr werdet Euch daran gewöhnen. Es wird zwei, drei Monate dauern aber dann werdet ihr nicht mehr merken, daß Ihr sie überhaupt tragt. Ich habe fast sechs Monate gebraucht, bis ich mich das Kettenhemd gewöhnt habe. Und ich war damit in der Wüste Khom. Ich kam mir vor wie in einem Ofen darin," erzählte er freimütig.
"Ihr habt die Wüste Khom bereist?" Liselle schaute ihn neugierig an. "Mögt Ihr mir vielleicht davon erzählen?"
Er lachte gutmütig und begann ihr zu erzählen, was er dort erlebt hatte, wie die Menschen dort lebten und wie er die Begegnung mit einem gefährlichen Magier überlebt hatte. Fasziniert lauschte Liselle seinen farbenfrohen und lebhaften Schilderungen bis ein Ruf verkündete, daß es Zeit für die Mittagsrast war.
"Vielen Dank, Ihr habt mir wirklich auf sehr angenehme Weise die Zeit vertrieben. Darf ich nach Eurem Namen fragen?" bedankte sich Liselle.
"Man nennt mich Sven Björnson und Ihr, junge Lady?"
"Nennt mich Velvet und jetzt entschuldigt mich, ich muß mich unbedingt setzen," sagte sie und lächelte.
"Bleibt aber nicht zu lange sitzen, sonst sind wir nachher schon weg," er zwinkerte Liselle zu und brachte sie damit zum Lachen.

Als die Karawane anhielt, war Liselle froh, endlich ausruhen zu dürfen. Sie machte gerade Anstalten, ihren Rucksack abzuschnallen, da hielt Elrond ihre Hände fest.
"Nicht abnehmen. Wenn du ihn jetzt abnimmst, dann kriegst du ihn nicht mehr auf den Rücken. Ich kenne das schon," er lächelte sie liebevoll an. "Nimm meine Hände, ich stütze dich, und dann lehn dich gegen den Baum. Ich helf dir nachher auch wieder auf."
"Wäre nett, sonst sitze ich wahrscheinlich noch hier, wenn die Welt untergeht," Liselle grinste und ließ sich von Elrond helfen.
"Ich hole uns eben etwas frisches Wasser, wartest du bitte?" meinte er zu Liselle.
"Du bist gut, wo soll ich Schildkröte denn hinlaufen? Ich käme alleine wahrscheinlich nicht mal mehr hoch," Liselle lachte.
Als Elrond verschwunden war, ließen sich Zoe und Fayt bei ihr nieder und Grimmbart kam auf sie zu.
"Hallo Velvet, wo ist denn Eure Zwergin?"
"Ich weiß es nicht, sie müßte irgendwo hier herumlaufen. Soll ich ihr etwas ausrichten?"
„Nein, ich glaube nicht,“ er wandte sich um, sichtlich enttäuscht, überlegte es sich dann aber doch anders und setzte sich vor Liselle auf den Boden.
„Weißt du, es ist selten, daß man Zwergenfrauen auf Reisen trifft. Bei uns Zwergen gibt es viel weniger Frauen als Männer und sie gehen sehr selten von zu Hause weg. Und gar heilkundige Zwerginnen!“ erklärte Grimmbart ihr.
„Das wußte ich gar nicht. Wie viele Zwergenfrauen gibt es denn?“ erkundigte sich Liselle neugierig bei dem Zwergen.
„Auf vier, fünf Männer kommt ungefähr eine Frau. Und unter Zwergen auf Wanderschaft trifft man vielleicht unter hundert eine Zwergenfrau,“ führte Grimmbart aus.
„Oh, warum kann das bei Menschen nicht auch so sein?“ Liselle grinste Elrond an, der mit frischem Wasser zurück kehrte und die letzten Bemerkungen gehört hatte. Er schaute ein wenig finster.
„Einen schönen Bart habt ihr da,“ meinte Liselle zu Grimmbart.
„Ja, nicht wahr! Er benötigt auch viel Pflege,“ der Zwerg strich sich stolz über die rote Pracht.
„Hmm, aber ihm fehlt noch das gewissen Etwas. Wie wäre es mit ein paar hübschen blauen Bändern?“ neckte Liselle ihn. Der Zwerg schaute sie entsetzt an.
„Andra ist hinten bei den Wagen,“ informierte Elrond Grimmbart, der schützend die Hand über seinen Bart hielt.
„Vielen Dank,“ Grimmbart verschwand eilig in die angegebene Richtung und sie hörten ihn etwas von „Bänder im Bart, also wirklich“ murmeln.

Die Pause war für Liselles Geschmack viel zu kurz als auch schon der Ruf erscholl, daß weitergehen würde. Elrond half Liselle wieder auf die Füße und dann ging es auch schon weiter. Liselle ging neben Andra, Elrond im Schlepptau, der sie nicht aus den Augen ließ.
„Wo ist eigentlich Zoe?“ fragte Liselle, sie hatte ihre Freundin schon einige Zeit nicht mehr gesehen.
„Geht irgendwo da hinten,“ Andra gestikulierte mit der Hand in Richtung Karawenenschluß.
„Ich warte auf sie,“ beschloß Liselle und blieb stehen während die Karawane an ihr vorbeizog.
„Wie geht es dir?“ erkundigte sich Liselle bei ihrer Freundin, denn Zoe sah gar nicht gut aus.
„Mir tun die Füße weh, jeder Schritt fühlt sich an als würde ich auf Messerklingen treten, der Rucksack bringt mich um und ich schwitz mich halbtot unter diesem Lederding,“ schnaufte Zoe.
„Du Arme! Komm mit, ich hab da eine Idee!“ sie packte Zoe am Arm und zerrte sie ungeachtet der Proteste ihrer Freundin hinter sich her bis sie Andra eingeholt hatten.
„Andra, kann Zoe meinen Platz auf dem Wagen haben? Sie ist fast am Ende,“ fragte Liselle die Zwergin.
„Bist du sicher, daß du Zoe deinen Platz geben willst? Ich habe nur einen Platz organisieren können, daß hieße dann für dich, daß du weiterhin laufen müßtest,“ Andra musterte die beiden Mädchen.
„Ja, bin ich. Schau doch nur, Zoe kriegt ja kaum noch Luft. Ich kann bestimmt noch ein wenig laufen und wenn es gar nicht mehr geht, dann tausche ich halt mit ihr,“ beteuerte Liselle.
Plötzlich nahm ihr Elrond den Rucksack ab. Sie drehte sich verblüfft um und schaute ihn fragend an.
„Ohne Rucksack läuft es sich für dich leichter,“ er lächelte sanft.
Zoe wurde auf den Wagen gehoben, Liselle lief ohne die Last ihres Rucksackes neben her und erzählte ihrer Freundin, was sie über Zwergenfrauen und die Wüste Khom erfahren hatte. Sie fühlte sich gut, auch wenn ihre Füße schmerzten, und freute sich auf den Abend, wenn die Karawane endlich das Lager für die Nacht aufschlagen würde.