Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Donnerstag, Mai 26, 2005

Viertes Abenteuer - Kapitel IV (2)

(zweiter Teil)

Nachdem Liselle das Schnitzmesser aus ihrem Zimmer geholt und von Ambosch einen kleinen Holzklotz, den sie für ihr Vorhaben als tauglich befand, erhalten hatte, trat sie auf den Hof und fand Zoe auf einer Bank in der Sonne sitzend vor.
„Was ist denn nun los mit euch beiden?“ fragte Liselle mitfühlend als sie sich neben Zoe auf die Bank setzte.
„Fayt, ich verstehe ihn einfach nicht,“ seufzte Zoe.
„Warum denn jetzt schon wieder nicht?“ Liselle begann mit der Bearbeitung des kleinen Holzklotzes. „Wo seid ihr überhaupt einquartiert, daß ich dich erst jetzt sehe?“
„Ach, das hast du gestern ja gar nicht mehr mitbekommen, aber dieser knurrige alte Zwerg wollte uns nicht hier haben und da sind Fayt und ich kurzerhand in den Letzten Krambold gezogen, ungefähr fünfhundert Schritt die Straße hinunter. Also, für einen Zwergen, der in einer Stadt zusammen mit Menschen lebt, ist er ihnen ja ganz schön mißtrauisch gesonnen. Obwohl, ich habe hier ziemlich viele Zwerge gesehen,“ erzählte Zoe.
„Mein Lehrer hat mir erzählt, der Name Angbar leitet sich von Angbarosch her. In der Stunde habe ich auch ausnahmsweise mal aufgepaßt,“ Liselle mußte bei der Erinnerung an das verzweifelte Gesicht ihres hageren Hauslehrers, der sich redlich darum bemüht hatte, seiner sprunghaften Schülerin die Geschichte des Mittelreiches näher zu bringen, leise lachen.
„Wer oder was ist ein Angbarosch?“ Zoe schaute sie verwirrt an.
„Also, mein junges Fräulein, Ihr kennt die Geschichte nicht, wie Angbar zu seinem Namen kam?“ Liselle stand auf und drohte Zoe mit erhobenem Zeigefinger, ihre Augen funkelten dabei schelmisch.
„Nein, kenne ich in der Tat nicht,“ Zoe kicherte bei dem Anblick ihrer Freundin.
„Nun denn, wohledles Fräulein, dann lauschet mir aufmerksam, denn ich werde Euch berichten, wie Angbar seinen Namen bekam. Angbarosch, der erste Hochkönig der Zwerge, ist der Namensgeber dieser Stadt. Er galt als Mann des Ausgleichs mit großen Rechten und einem noch höheren Auftrag, namentlich die Konflikte mit den Menschen zu einem Ende zu bringen, auf welche Weise auch immer. Die im Kosch ansäßigen Zwerge und die hier siedelnden Menschen verband mehr eine aufrichtige Zuneigung denn eine Feindschaft. Diese wachsende Freundschaft sollte sich in den folgenden Jahren vielfach bewähren als die Trollkriege und der erste Zug der Oger das Reich in schwere Bedrängnis brachte und die Siedler der Provinz Kosch ganz auf den Schutz durch die Zwerge angewiesen waren. Angbarosch, wenn auch mit bitterem Widerstand der Amboßzwerge, zum Hochkönig berufen, erfüllte seinen Auftrag gewissenhaft. Statt die momentane Schwäche der Menschen auszunutzen und die Heere der Angroschim gen Bosparan zu führen und somit das geschwächte Kaiserreich zu zerschlagen, nahm er die Verhandlungen mit dem Friedenskaiser Arn auf und erreichte eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung. Die Angroschim erhielten die Berg- und Landrechte und die Menschen durften Flußauen und Lichtungen besiedeln. Um des großen Hochkönigs und seinen Leistungen zu gedenken, gab man dem kleinen Dorf, in welchem die Verhandlungen stattfanden, den Namen Angbar. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich aus dem kleinen Ort eine Stätte des Handels und des Austausches von Wissen zwischen den Zwergen und den Menschen, Angbar wuchs zu einer Stadt, in denen beide Rassen friedlich zusammenleben,“ dozierte Liselle mit getragener Stimme während sie, ihren Lehrer imitierend, mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor Zoe auf und ab stolzierte. „So denn, habt Ihr noch Fragen, mein Kind?“
„Kein Wunder, daß du so selten aufgepaßt hast,“ brachte Zoe noch hervor bevor sie lachend losprustete. Liselle fiel in das Lachen ihrer Freundin ein und setzte sich wieder.
„Nach dem kleinen Ausflug in meine mageren Geschichtskenntnisse kannst du mir nun erzählen, wo dein Problem mit Fayt liegt,“ meinte Liselle, nachdem sich die beiden Mädchen von ihrem Lachanfall erholt hatten.
„Wo war ich denn stehen geblieben?“ Zoe runzelte kurz die Stirn. „Richtig, da war ich. Nachdem Fayt und beschlossen hatten, ein Doppelzimmer im Letzten Krambold zu beziehen, wollte ich bummeln gehen. Wer weiß, wie lange wir hierbleiben und die Möglichkeit wollte ich nutzen. Also sind wir zum Neumarkt gegangen, wo ich am Stand eines Händlers einen schönen Ring entdeckt habe, der natürlich für mich viel zu teuer war. Ich dem Händler ein wenig schöne Augen gemacht in der Hoffnung, daß er ihn mir dann billiger läßt. Doch der meinte nur, wenn ich kein Geld hätte, dann solle ich mir welches verdienen, denn das würde mir bei meinem Aussehen ja sicherlich nicht schwer fallen,“ erzählte Zoe.
„Oh, das war aber ziemlich eindeutig.“
„In der Tat. Nun, als Fayt dies hörte, stellte er den Händler zur Rede, wie er denn mit einer Dame von Stande sprechen würde. Der Händler gab zurück, daß ich ja nun nicht gerade wie eine Dame von Stande aussehen würde und so gab ein Wort das andere. Es wäre fast zu einem Handgemenge gekommen, wenn ich Fayt nicht zurück gehalten hätte,“ fuhr Zoe in ihrer Erzählung fort.
„Also, das finde ich aber auch unverschämt. Du siehst ja nun wirklich nicht aus wie eine Bauernmagd! Dein Kleid, wie du geschminkt und frisiert bist spricht ja wohl für sich,“ entrüstete sich Liselle.
„Naja, wie eine Bauernmagd wohl nicht, es sei denn Bauernmägde tragen neuerdings mit Nieten beschlagene Lederwämse,“ erwiderte Zoe. „Ich hatte meine Reisekleidung noch an.“
„Oh, darin würde ich wohl auch Zweifel haben ob deiner Damenhaftigkeit,“ Liselles Augen blitzten schelmisch.
„Ich und eine Dame von Stand? Wo du doch erst meinen Titel erfun- ...“ doch weiter kam Zoe nicht, da Liselle sie warnend anstieß und den Finger vor ihre Lippen hielt. Gerade noch rechtzeitig bevor Zoe ihr Geheimnis verraten konnte, denn Elrond hatte den Hof betreten.
„Was macht ihr denn schönes hier draußen?“ fragte er als er zu ihnen trat.
„Frauengespräche!“ antworteten die beiden wie aus einem Mund und warfen Elrond einen unschuldigen Blick zu. Liselle stand auf und schmiegte sich an ihn.
„Es tut mir leid, mein Lieber, doch im Moment störst du hier,“ sagte sie mit einem entwaffnenden Lächeln.
„Ich wollte gerne mit dir zum Angbarer See gehen,“ erwiderte er und in seinem Gesicht lag Enttäuschung.
„Laß uns doch morgen früh gehen, dann haben wir den ganzen Tag dort,“ schlug sie vor. „Wie wäre es, wenn du statt dessen Fayt suchst und mit ihm ein wenig Angbar erkundest?“
„Fayt findest du im Letzten Krambold, eine Taverne fünfhundert Schritt die Straße hinunter,“ warf Zoe hilfsbereit ein.
„Mir wird ja wohl nichts anderes übrig bleiben,“ Elrond verzog mißmutig das Gesicht, küßte Liselle und ging schmollend von dannen.
„Puh, das war aber knapp! Fast hätte er dein Geheimnis mitbekommen,“ sagte Liselle, nach Elrond verschwunden war.
„Das war wirklich knapp,“ stimmte Zoe ihr zu.
„Doch erzähl weiter,“ bat Liselle und nahm ihre Schnitzerei wieder auf.
„Nun, wir sind dann zurück gegangen zur Herberge, ich habe mich umgezogen und zusammen waren wir dann Wein trinken. Er taute förmlich auf erzählte so angeregt von seinem Leben, daß ich wirklich dachte, es wäre soweit, daß man zum nächsten Schritt übergehen könnte.“
„Und? Habt ihr ...?“ Liselle ließ die Frage so offen stehen.
„Nein, haben wir eben nicht!“ energisch schüttelte Zoe den Kopf. „Kaum zurück auf unserem Zimmer legt der sich auf den Fußboden, wickelt sich in seinen Schlafsack, wünscht mir eine geruhsame Nacht und schläft! Kannst du dir das vorstellen?“ fragte Zoe empört. „Und es wird noch besser. Heute morgen nach dem Frühstück waren wir am Ufer des Angbarer Sees und da redet der Kerl nicht mal mit mir!“
„Wie, ihr habt euch die ganze Zeit angeschwiegen oder sie soll ich das verstehen?“
„Ganz genau. Bootfahren, was wir ja eigentlich vorhatten, war dann doch etwas teuer. Die wollen da fünf Dukaten für haben, stell dir das mal vor! Naja, wir saßen also zusammen auf einer kleinen Bank am Ufer und der hat die ganze Zeit nicht ein Wort gesagt. Kein Einziges!“ Das wurde mir dann irgendwann zu dumm und ich bin zurück gegangen, er natürlich hinter mir her. Ich wollte einfach mit dir darüber sprechen,“ mit ausholenden Gesten machte Zoe ihrem Unmut Luft.
„Das verstehe ich auch nicht, du bist doch nun wirklich alles andere als häßlich und du beißt auch nicht.“
„Allmählich kommen mir Zweifel, ob das überhaupt noch einen Sinn macht, mich um ihn zu bemühen,“ seufzte Zoe. „Dabei haben mich heute so einige junge Männer bewundernd angeschaut als wir da so auf dieser Bank saßen.“
„Dann laß Fayt doch Fayt sein. Schließlich gibt es ja noch mehr Männer,“ riet Liselle ihrer Freundin.
„Das ist wahrscheinlich wirklich das Beste. Er will mich ohnehin nicht, warum also wegen ihm den Kopf hängen lassen!“ beschloß Zoe und ihre Augen funkelten kampflustig.

Die beiden Mädchen hatten den Nachmittag durch bis in den frühen Abend im Hof auf der Bank gesessen und miteinander geredet während Liselle aus dem kleinen Holzklotz einen schlichten Holzbecher gefertigt hatte. Sie verzierte ihn noch mit einem einfachen Wellenband am Rand und einem Namen unten, glättete das Holz mit nassem Sand und färbte die Verzierungen mit blauer Tinte bevor sie ihr Werk am Ende mit Wachs polierte, so daß Wasser dem Becher nichts anhaben konnte.
„Seit wann interessiert du dich eigentlich für Holzbearbeitung und für wen ist der Becher gedacht?“ erkundigte sich Zoe neugierig.
„Seitdem ich auf dem Weg hierher das Pfeifchen für Grimmbart geschnitzt habe, mir bringt das irgendwie Vergnügen. Man kann vor allem dabei reden und die Hände haben dennoch etwas zu tun,“ erklärte Liselle und räumte ihre Utensilien zusammen. „Laß uns reingehen, ich möchte meine Sachen nach oben bringen und dann essen, ich habe Hunger.“
„Gute Idee,“ stimmte Zoe ihr zu und erhob sich.

„Meister Ambosch, habt Ihr eine Minute Zeit für mich?“ fragte Liselle den Zwerg, der geschäftig hinter seinem Tresen werkelte.
„Ja, für dich habe ich eine Minute,“ Ambosch schaute zu ihr hoch. „Was gibt es denn? Ist mit dem Zimmer etwas nicht in Ordnung?“
„Nein, nein, mit dem Zimmer ist alles bestens,“ beschwichtigte Liselle und stellte den Holzbecher auf den Tresen. „Ich habe lediglich ein kleines Geschenk für Euch.“
Ambosch nahm den Becher in die Hand, betrachtete ihn von allen Seiten und warf Liselle einen anerkennenden Blick zu.
„Du bist in der Tat ein erstaunliches Mädchen, das ist ja ganz ordentlich gearbeitet. Du hast Talent dafür wie es scheint,“ lobte er Liselle, die daraufhin ein wenig rot wurde.
„Gefällt er Euch? Ich habe das Vergnügen an der Arbeit mit Holz und Messer auf dem Weg von Gareth hier hin entdeckt und wollte Euch eine kleine Freude machen,“ erklärte Liselle fast schüchtern.
„Oh, das hast du ganz gewiß, Mädchen,“ Ambosch strahlte sie an und holte eine Flasche hervor, die Liselle seltsam bekannt vorkam. „Darauf trinken wir aber erst mal einen!“
„Damit ich den ganzen nächsten Tag wieder im Bett verbringe?“ Liselle mußte beim Anblick von Ambosch, der schwungvoll seinen Becher füllte, schmunzeln.
„Nein, nein, nur einen kleinen Schluck. Wir müssen den Becher ja schließlich einweihen,“ er tätschelte ihr beruhigend die Hand. „Wir machen auch halbe, halbe.“
Er trank den gefüllten Becher zur Hälfte leer und schob ihn dann mit einem aufmunternden Kopfnicken zu Liselle hinüber.
„Uff, das Zeug brennt vielleicht. Aber es hat einen richtig angenehmen und guten Nachgeschmack,“ meinte Liselle, nachdem das Brennen in ihrer Kehle nachgelassen hatte.
„Ich brenne ihn ja auch selber!“ sagte Ambosch mit Stolz in der Stimme. „Jetzt setz dich zu der anderen Menschenfrau, deiner Freundin da. Ich bringe euch dann gleich etwas zu essen.“