Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Samstag, Mai 28, 2005

Viertes Abenteuer - Kapitel IV (4)

(vierter Teil)

„Wie viele Tavernen haben wir jetzt schon besichtigt und uns nach den beiden erkundigt?“ fragte Zoe stöhnend nachdem die beiden Mädchen zum wiederholten Male an diesem Abend durch eine Tavernentür an die frische Luft traten.
„Ich weiß es nicht, aber in Angbar gibt es anscheinend keine Ecke Aventuriens, die hier nicht kulinarisch vertreten ist. Dieses novadische Röstfleisch hat wirklich appetitlich ausgesehen und vor allem gerochen,“ Liselle machte Anstalten wieder zurück in den ‚Schnellen Reiter’ zu gehen, doch Zoe hielt sie am Ärmel fest.
„Wir haben unsere Beiden noch nicht gefunden, du Leckermaul,“ erinnerte Zoe ihre Freundin.
„Ja, ist ja schon in Ordnung, du hast natürlich recht. Aber es riecht so verführerisch,“ Liselle seufzte. „Also gut, das war dann wohl auch die letzte Taverne und da vorne ist bereits das Quartier der Gardisten.“
„Was willst du bei den Gardisten?“
„Fragen, wie auch bei den ungezählten Wirten. Vielleicht ist einer von unseren zwei Freunden einem der Gardisten aufgefallen. Fayt ist immerhin mit seiner Körpergröße alleine schon auffällig genug und Elrond ist bis jetzt der einzige Halbelf mit blauschwarzem Haar, den ich hier gesehen habe. Gardisten haben im Normalfall gute Augen und ein ebensolches Gedächtnis wenn es um Fremde geht. Fragen können wir, im schlimmsten Fall sind wir nachher genauso ratlos wie jetzt auch,“ legte Liselle ihr Vorhaben dar.
„Worauf warten wir dann noch?“ Zoe ging ohne auf Liselle zu warten los, auf das Gardehaus zu. Liselle ging ihr eilig hinterher und zusammen betragen sie das aus dicken, grauen Steinen solide gemauerte Haus.
„Entschuldigt bitte, aber wir benötigen Eure Hilfe,“ Zoe trat auf den jungen Gardisten zu, der an einem Schreibtisch saß und ungelenk mit einer Schreibfeder hantierte. Er schaute von seinen Papieren auf, die wild auf seinem Tisch verteilt lagen und ein bewunderndes Lächeln breitete sich auf seinem ebenmäßigen Gesicht aus.
„Womit kann ich Euch dienen, meine Damen?“ er stand auf, verbeugte sich leicht vor ihnen und seine blauen Augen funkelten freundlich.
„Nun, wir sind fremd in der Stadt und wir vermissen zwei unserer Reisegefährten. Vielleicht sind sie von Euren Männern gesehen worden, Hauptmann,“ schmeichelte Zoe mit einem verführerischen Augenaufschlag.
„Nein, nein, ich bin nicht der Hauptmann,“ verneinte der junge Gardist und errötete leicht.
„Oh, entschuldigt bitte mein Unwissen, ich kenne mich leider mit militärischen Rängen überhaupt nicht aus. Doch ich bin mir sicher, Ihr wäret bestimmt ein sehr fähiger Hauptmann,“ Zoe trat einen halben Schritt auf den Gardisten zu und strich ihm sanft über den Unterarm.
Liselle verbarg ihren Mund in ihrem Mantel und neigte leicht den Kopf, damit ihr breites Grinsen nicht zu sehen war.
„Ähm, sagtet Ihr nicht ... ich meine ... also, sucht Ihr nicht Eure Reisegefährten? Was ich sagen möchte .. um Euch zu helfen bräuchte ich eine Beschreibung,“ stotterte er verlegen und die Röte überzog nun sein ganzes Gesicht. Liselle unterdrückte mit größter Mühe ein Lachen.
„Der eine ist ein ungewöhnlich großer Mann mit dem Namen Fayt Leingod. Er hat schwarze Haare und sehr dunkle Augen. Meist trägt er einen Küraß und etwas, das er Gladiatiorenschultern nennt. Der andere ist ein Halbelf mit blauschwarzem Haar und einer Narbe im Gesicht, die quer über sein linkes Auge verläuft. Er sieht ein wenig verwegen aus und sein Name ist Elrond Feuerlilie,“ gab Zoe ihm die gewünschten Informationen. Als der Gardist den letzten Namen hörte, verfinsterte sich sein Gesicht, offenbar sagte ihm dieser Name etwas.
„Die beiden sind hier,“ erwiderte er knapp und Liselles Gefühl, daß mit den beiden etwas geschehen war, verstärkte sich.
„Warum sind die beiden denn hier?“ fragte sie vorsichtig.
„Der Hüne hat auf offener Straße ohne ersichtlichen Grund einfach jemanden ins Gesicht geschlagen, direkt neben einem von uns, der gerade dort patrouillierte. Dann blieb er merkwürdigerweise ganz ruhig stehen und ließ sich in Gewahrsam nehmen,“ erklärte er sachlich. „Er wird morgen dem Richter vorgeführt.“
„Und warum haltet ihr dann auch Elrond Feuerlilie fest? War er ebenfalls an dem Vorfall beteiligt?“ Liselle befürchtete, daß ihr die Antwort nicht gefallen würde.
„Nein, er wurde nicht zusammen mit dem Hünen in Gewahrsam genommen,“ die verhohlene Wut in seiner Stimme bestätigte Liselles Vorahnung. „Er hat den Sohn unseres Hauptmannes grundlos angegriffen und schwer verletzt! Es steht nicht gut um ihn, niemand kann sagen, ob er die Nacht überlebt. Betet für ihn, denn sollte er den morgigen Tag nicht mehr erleben, dann sieht es sehr schlecht für Euren Freund aus.“
Liselles Gedanken rasten wild durcheinander, sie mochte kaum glauben was sie eben gehört hatte. Das sah in der Tat nicht gut aus.
„Ich kenne Elrond Feuerlilie sehr gut und ich kann mir nicht vorstellen, daß er jemanden ohne einen triftigen Grund angreift,“ Liselle sah den Gardisten fragend an.
„Wertes Fräulein, wir mußten ihn mit mehreren Männern zurück halten, er wollte nicht von seinem Opfer ablassen! Die Zeugen haben allesamt bestätigt, daß der Sohn unseres Hauptmannes keinerlei Grund für einen derartigen Angriff gegeben hat,“ Entrüstung lag in seiner Stimme. Liselle warf Zoe einen Blick zu und sah in deren Augen, daß diese ebenfalls Zweifel an Elronds offenbar erwiesener Schuld hatte.
„Wenn das so ist, dann möchte ich mit dem Hauptmann persönlich sprechen,“ verlangte Liselle.
„Ihr wollt Hauptmann Gerdenfels sprechen?“ Der Gardist schaute sie verblüfft an.
„Genau, das möchte ich in der Tat,“ wiederholte Liselle und schaute den Gardisten auffordernd an.
„Ich kann es versuchen, doch ich kann Euch nicht versprechen, daß er Euch auch anhören wird. Wen soll ich melden?“ fragte er und musterte sie abschätzig.
„Meldet Ihm, daß Liselle, Tochter des Barons von Oltenburg, Ihn zu sprechen wünscht,“ Liselle genoß es, daß der Gardist sie mit großen Augen ansah bevor er sich umdrehte und eilig den Raum verließ.
„Was hast du vor, Velvet?“ erkundigte sich Zoe.
„Mir einen Überblick verschaffen und überlegen, wie wir aus diesem Schlamassel wieder heraus kommen. Denn etwas scheint mir hier ganz und gar nicht stimmig zu sein.“
„Das Gefühl habe ich auch, dein Liebster ist zwar manchmal ein wenig aufbrausend, aber doch nicht gemeingefährlich,“ Zoe setzte sich auf einen einfachen Holzschemel und schaute Liselle, die mit gerunzelter Stirn auf und ab lief, sorgenvoll an.

„Entschuldigt bitte die Störung, Hauptmann Gerdenfels, doch ich möchte gerne mit Euch reden, auch wenn der Zeitpunkt für eine Unterredung sehr unpassend ist,“ Liselle setzte ein freundliches Lächeln auf, als sie das Arbeitszimmer des Hauptmannes betrat, zu welchem sie der junge Gardist kurz nach seiner Rückkehr geführt hatte.
„Darian, laß die junge Dame und mich bitte einen Moment alleine,“ befahl der Hauptmann seinem Untergebenen, der daraufhin kurz salutierte und die Tür von außen schloß.
„Was möchtet Ihr, junges Fräulein?“ seine Stimme klang beherrscht und er stand mit dem Rücken zu ihr gewandt, die Hände nach hinten verschränkt und den Blick aus dem Fenster gerichtet.
„Wie geht es Eurem bedauernswerten Sohn, Hauptmann Gerdenfells?“ fragte Liselle mit weicher Stimme. Der Hauptmann drehte sich zu ihr und trat ins Licht der Kerzen, die den Raum in ein warmes Licht tauchten.
„Es geht ihm nicht gut und die Ärzte können mir im Moment nicht sagen, ob er es überleben wird,“ um seinen Mund lag ein harter Zug. „Nun, Ihr seid also Liselle von Oltenburg, die Reisegefährtin dieses Übeltäters. Was wollt Ihr, Euch etwa für ihn einsetzen?“
„Mit Euch sprechen um zu erfahren wessen genau er beschuldigt wird,“ erwiderte Liselle und beobachtete die Gesichtszüge des Hauptmannes genau. Er war ein stolzer Mann, ein wenig größer als sie, und es zeigten sich erste graue Strähnen in seinem kurzgeschnittenen, roten Haar.
„Die Beweislage ist eindeutig. Euer Gefährte,“ er spie das Wort regelrecht aus „ist ohne einen Grund auf meinen armen Sohn losgegangen und hat ihn mit einer Wut, deren gleichen ich noch nie gesehen habe, attackiert. Er wird morgen dem Richter zugeführt und sollte mein Sohn Gerion heute nacht in Borons Hallen gerufen werden, wird die Anklage auf Mord lauten. Dann wird ihn nichts und niemand vor der vollen Härte des Gesetzes schützen.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, daß Elrond Feuerlilie Euren Sohn grundlos angegriffen haben soll, schließlich reise ...“ der Hauptmann ließ Liselle jedoch nicht ausreden.
„Stellt Ihr etwa die Aussagen namhafter Zeugen in Zweifel?“ fiel er ihr scharf ins Wort.
„Aber nein, in keinster Weise. Ich verstehe lediglich nicht, was zu einem solchen Ausbruch geführt haben mag. Ein derartiges Temperament wäre mir doch sicherlich in der gemeinsamen Zeit aufgefallen,“ versuchte Liselle die angespannte Situation zu entschärfen.
„Manchmal, da kann man einen Menschen sein ganzes Leben lang kennen und dennoch mag er auf einmal Seiten seines Wesens offenbaren, die man nie für möglich gehalten hätte,“ lenkte Hauptmann Gerdenfels ein. „Euch ist für diesen Vorfall schließlich kein Vorwurf zu machen.“
„Ware es möglich, Elrond Feuerlilie mit zu nehmen? Ich würde mich mit meinem Namen dafür verbürgen, daß er morgen vor dem Richter erscheint,“ wagte Liselle einen Vorstoß, doch die Miene des Hauptmannes zeigte deutlich, daß er diesem Vorschlag nicht zustimmen würde.
„Das kann ich nicht zulassen, das ist gegen das Gesetz,“ erklärte er bestimmt, doch Liselle sah in seinen Augen, daß er log.
„Kann man denn da gar nichts machen?“ fragte sie und setzte einen flehenden Gesichtsausdruck auf.
„Tut mir leid, doch solange Ihr die Gesetze nicht ändern könnt, bleibt er wo er ist!“ erklärte der Hauptmann bestimmt.
„Nun gut, dann laßt mich ihn wenigstens sehen,“ bat Liselle höflich.
„Das sollt Ihr,“ versprach er und rief den Gardisten wieder herein. „Bringt diese junge Dame in den Kerker und laßt sie mit diesem Halbelfen sprechen.“
„Wie Ihr befehlt, Hauptmann,“ der junge Gardist salutierte erneut und wandte sich zu Liselle. „Folgt mir bitte.“
„Habt Dank, Hauptmann Gerdenfels. Ich wünsche und bete, daß Euer Sohn bald wieder wohlbehalten auf den Beinen ist,“ sagte Liselle mitfühlend bevor sie dem Gardisten folgte.