Velvets Journal

Velvet, die eigentlich Liselle von Oltenburg heißt, ist die jüngste Tochter einer einflußreichen Familie des Garether Hochadels. Doch hinter Velvet steckt mehr als nur eine "Prinzessin auf der Erbse", das junge Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren. Laßt Euch in die Welt und die Abenteuer entführen, die sie auf ihrem Weg erlebt. Viel Vergnügen!

Dabei wird sie begleitet von Andra, einer Zwergin, die ihre neugierige Nase oft in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Ihr Schützling Elrond Feuerlilie, ein Halbelf aus Thorwal, weicht seiner zwergischen "Ziehmutter" natürlich nicht von der Seite. Zoe Derp, Kurtisane aus Punin auf der Suche nach neuen "Geschäften", und Fayt Leingod, Trollzacker und ehemaliger Gladiator-Sklave aus Al'Anfa, der sich nun als Söldner verdingt, sind weitere Mitglieder der Gruppe, mit denen Liselle Aventurien unsicher machen wird.

Montag, Mai 30, 2005

Viertes Abenteuer - Kapitel IV (6)

(sechster Teil)

Liselle hatte sich vor dem Haus des Rechtsgelehrten Korninger von Zoe getrennt, sie wollte noch ein wenig spazieren gehen und nachdenken. Zoe konnte Andra auch ohne ihre Hilfe über die Geschehnisse in Kenntnis setzen. So lief Liselle ohne ein Ziel bestimmt eine Stunde durch das stille Angbar während Phexens Hort in all seiner funkelnden Pracht zu bewundern war. Als sie plötzlich vor der Tür des ‚Goldenen Esels’ stand, war sie ziemlich überrascht. Ihr war nicht bewußt gewesen, daß sie ihre Schritte hier her zurück gelenkt hatte. Sie holte noch einmal tief Luft, schaute zu den funkelnden Juwelen am Himmel hinauf und betrat Amboschs Taverne. Ihr war, als würde sie von der kühlen Nachtluft direkt in das gemütliche Treiben des Schankraums eintauchen, in dem es sowohl Tische in der Höhe optimal für Zwerge als auch solche für Menschen gab. Ein paar Zwerge blickten von ihren Würfelbechern auf, Ambosch hatte sie offensichtlich auf Liselle aufmerksam gemacht, und einer von ihnen nickte Liselle wohlwollend zu. Sie ließ ihren Blick kurz durch den Raum schweifen und machte kurz darauf Zoe und Andra aus, die zusammen an einem Tisch saßen. Andra saß auf ihrem zu großen Stuhl, baumelte mit den Beinen und winkte Liselle zu, die sich zu den beiden an ihren Tisch begab.
„Wo warst du denn?“ Zoe musterte Liselle neugierig als diese sich setzte.
„Ein bißchen frische Luft schnappen,“ Liselle zuckte mit den Schultern. „Doch auf eine wirklich brauchbare Lösung des Problems bin ich auch nicht gestoßen.“
„Schau mal, da kommt der Rechtsgelehrte Korninger und er hat unsere beiden Kerkervögel bei sich,“ Zoe winkte die Ankommenden an ihren Tisch.
„So, das Verbrechen, dessen der werte Herr Leingod bezichtigt wird, läßt sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Entschädigung an sein Opfer aus der Welt schaffen,“ eröffnete der Rechtsgelehrte nachdem sich alle gesetzt und von Ambosch etwas zu trinken gebracht bekommen hatten.
„Wie hoch wird diese Entschädigung denn sein müssen?“ fragte Liselle und schaute Fayt finster an, der ihrem Blick auswich.
„Ich rechne mit einer Summe von circa zwanzig bis dreißig Dukaten. Das wären dann auch schon die guten Nachrichten,“ Korninger blickte Elrond ernst an. „Sagt mir bitte, habt Ihr vielleicht jemanden in der Nähe gesehen, der Zeuge des Vorfalles wurde und bestätigen kann, daß man Euch provoziert hat? Ansonsten steht Eure Aussage gegen die Aussagen einiger sehr mächtiger Leute dieser Stadt.“
„Ich weiß nicht mehr so genau, es ging alles so schnell,“ Elrond klang unsicher und er runzelte die Stirn während er versuchte, sich genauer zu erinnern.
„Versucht, Euch den Vorfall genau vor Augen zu führen und laßt Euch dabei ruhig Zeit,“ empfahl Korninger.
„Da waren ein paar Leute, doch an ihnen war nichts auffälliges. Sie haben sich umgedreht und sind weg gegangen, ich bin mich nicht einmal sicher, ob ich sie überhaupt wieder erkennen würde,“ Elrond ballte frustriert die Fäuste.
„Ist es nicht auch fraglich, ob überhaupt jemand für ihn aussagen würde, wenn diese Leute in der Stadt so berüchtigt sind?“ Zweifel lag in Liselles Stimme und ihr Blick ruhte fragend auf dem Rechtsgelehrten.
„Versuchen können wir es. Die Einwohner dieser Stadt leiden schon eine Weile unter den Flausen dieser jungen Männer, vielleicht stellt sich jemand auf Eure Seite und sagt aus,“ Korninger begann, sich eine Pfeife zu stopfen.
„Wartet mal, da stand ein Mann vielleicht fünfzehn, zwanzig Schritt entfernt, der nicht weg gegangen ist. Er müßte bei der Distanz auch gehört haben, was mir diese Strolche an den Kopf geworfen haben. Und er war wirklich ungewöhnlich, er hatte schloßweiße Haare, auch wenn er kaum älter war als ich. Doch noch mehr stachen seine roten Augen hervor!“ berichtete Elrond und ein hoffnungsvolles Lächeln zog über sein Gesicht.
„Hervorragend!“ Korninger schlug vor Begeisterung mit der flachen Hand auf den Tisch und gerade noch rechtzeitig brachte Liselle seinen Becher in Sicherheit bevor er umkippen konnte. „Einen Albino wird man selbst in Angbar leicht ausfindig machen können. Und ich werde ihn schon davon überzeugen, daß er zu Euren Gunsten aussagt. Vertraut mir.“
„Angenommen, er sagt aus. Wie wird die Gerichtsverhandlung denn ablaufen?“ wandte sich Liselle an den zufriedenen Rechtsgelehrten. Sie hatte das wage Gefühl, daß sie etwas wichtiges übersehen hatten. Doch so sehr sie sich auch bemühte, diesen Gedanken zu fassen bekommen, er entzog sich ihr. So hörte sie aufmerksam Korningers Ausführungen zu, doch er brachte sie in ihren Überlegungen auch nicht weiter.
„Einen Moment,“ unterbrach Elrond ihn. „Meine Mutter ist eine Elfin und sie hat mir erklärt, daß ich in mir, genau wie in meiner Schwester auch, die Begabung zur Magie trage. Auch wenn ich nicht in der Lage bin, dieses Talent zu nutzen, doch ich habe mal gehört, daß im Falle eines Gerichtsverfahrens, in dem ein Magiebegabter angeklagt wird, üblicherweise ein Angehöriger der Hallen des Lichts hinzugezogen wird. Wo habe ich das gleich noch einmal gehört?“
„Das ist es!“ Liselle lachte, Elrond hatte ausgesprochen, woran sie sich so verzweifelt zu erinnern versucht hatte. „Als wir in der Stadt des Lichtes waren, da haben wir doch kurz mit einem Mitglied dieses Ordens gesprochen. Er hat uns davon erzählt, weil es zur Aufgabe der Halle des Lichts gehört!“
„Das wirft natürlich ein ganz anderes Licht auf Eure Situation,“ auch Korninger strahlte jetzt zuversichtlich.
„Würdet Ihr dann bitte einen Boten zu den Hallen des Lichts nach Gareth schicken und um Entsendung eines Mitgliedes dieses Ordens bitten?“ fragte Elrond den Rechtsgelehrten, der beflissen nickte und zusagte, den Boten noch heute Nacht zu beauftragen.
„Dann brauchen wir ja auch den Albino nicht mehr als Zeugen, oder?“ hakte Liselle nach.
„Nein, im Grunde nicht. Wenn die Vernehmung mittels Magie geschieht und deswegen wenden wir uns ja an die Hallen des Lichts, dann wird mittels eines Zaubers die Wahrheit ans Licht gebracht. Die Mitglieder dieses Ordens sind der Wahrheit verpflichtet und ihr Wort wird nicht angezweifelt, Ihr seid also auf der sicheren Seite,“ erklärte Korninger der Runde das Prozedere.
„Wir könnten doch trotzdem nach diesem Mann suchen lassen. Unsere Gegner fühlen sich dann vielleicht sicher und meinen, sie hätten den Sieg schon in der Tasche,“ schlug Zoe vor. „So eine Art Ablenkungsmanöver? Was haltet ihr davon?“
„Brillant, junge Dame! Ich werde veranlassen, daß er mittels Ausrufer und Anschlägen gesucht wird,“ Korninger rieb sich freudig die Hände und erhob sich. „Meine Damen und meine Herren, ich werde das Nötige veranlassen und Euch informieren, sobald sich etwas Neues ergibt. Bis dahin verabschiede ich mich und wünsche Euch eine angenehme Nachtruhe.“
„Habt vielen Dank, Meister Korninger,“ bedankte sich Liselle und der Rechtsgelehrte verneigte sich leicht vor ihr bevor er sich umdrehte und die Taverne verließ.
„Es war ein anstrengender Tag, laßt uns schlafen gehen,“ sagte Andra und rutschte von ihrem Stuhl. „Wir sehen uns dann morgen.“
Fayt und Zoe verließen gemeinsam die Taverne, sie würden morgen zum Frühstück wieder zurück kommen. Auch wenn Liselle sich vorgenommen hatte, mit Elrond über die Tatsache, daß er im Bordell Torhaus wohl bekannt war, zu sprechen, hatte sie es zu seinem Glück vergessen als sie in ihrem Zimmer erst in das große Doppelbett und dann fast augenblicklich in tiefen Schlaf fiel.